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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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hören, und er brandete über sie hinweg wie ihre lebhaftesten Träume. Die Musik entwickelte ein Eigenleben, so dass sie sich nicht sicher sein konnte, ob der Maester sie überhaupt sang. Die Erzählung entfaltete sich in allen prachtvollen Einzelheiten, und die Worte fügten sich so natürlich und rhythmisch aneinander wie nur irgendein Liedtext, den Wendra je gehört hatte. Jeder Satz tanzte, spielte und hauchte den Worten und dem, was sie beschrieben, Leben ein, und von den Lippen des Maesters stieg die Musik auf, als könnte sie sich endlos nach außen und oben ausdehnen.
    In manchen Augenblicken verschmolzen die Worte mit dem Lied und wurden so zu etwas Größerem, das Wendra tief berührte und sowohl in ihrem Körper als auch in ihrem Geist eine Saite zum Klingen brachte. Wendra spürte, wie das Zimmer um sie herum zurückzuweichen begann, unwirklich wurde und nur noch als Teilstück von etwas weit Gewaltigerem sichtbar blieb.
    Über dem funkelnden Oval begann die Luft sich zu Fäden zu drehen, wie Stoff auf einem Webstuhl, Raumranken, die die Farbe dessen, was hinter ihnen lag, in dünnen Wellenlinien widerspiegelten. Hunderte und dann tausende dieser Streifen schimmerten nebeneinander und wuchsen, bis sie den Raum zwischen den Stühlen ausfüllten.
    Durch diese Wellen sah Tahn die Gesichter von Grant und Mira wie durch bewegtes Wasser, aber es waren langsame, senkrechte Wellen, die dünn wie Haarsträhnen waren.
    Als das Lied sich entfaltete, erhaschte Wendra einen Blick auf die Gabe, die in ihr lebte. Sie dachte, dass sie vielleicht Angst hätte haben müssen, sich aber in der Umarmung von Belamaes Lied sicher fühlte.
    Der Maester sang ein Crescendo, das sich über ihnen zu einem unsteten, schillernden Muster verwob. Garlens Worte, denen so eine Stimme verliehen wurde, begannen ein Bild zu erschaffen. Die Fäden bewegten sich, wechselten die Farbe und verflochten sich zu neuen Mustern. Wendra spürte einen Ruck, als ob die Welt, der äußerliche Raum dieses Zimmers, sich zu verschieben begann. Die Fäden tanzten im Takt des Liedes, die Worte gaben ihnen die Richtung vor, und tausende haarfeiner Risse in der Luft gehorchten, bewegten sich und formten um, was sie sah.
    Das Gewebe verdichtete sich, straffte sich und nahm Gestalt an. Die einzelnen Fäden begannen zu verschwinden und schufen eine neue Ordnung anstelle der alten. Der Maester sang weiter, bis aus der Brise ein Wind wurde und Wendra die Ebene roch, auf die sie blickte, und Donnergrollen an einem dunklen Himmel hörte.
    »Tretet hindurch«, sagte Vendanji so leise, dass er das Lied nicht störte.
    Obwohl Wendra nicht an dem neuen Vorhang vorbeiblicken konnte, der in der Luft vor ihr hing, sah sie plötzlich Mira und Grant auf dem Boden der Landschaft erscheinen, die sich über dem schwarzen ovalen Spiegel erhob, dann auch Vendanji und Braethen. Zu ihrer Linken stand Sutter, der Tahn begeistert zunickte und selbst hindurchtrat. Dann Tahn. Und Penit.
    Wendra sah noch einmal den Maester an, der weitersang, ihr aber aufmunternd zunickte. Ein Brausen der Musik bestürmte ihren Verstand, und poetische Sprache unterdrückte allen Unglauben. Wendra trat in den Bildteppich. Unvermittelt von Bekümmerung und Zweifeln ergriffen, ließ sie die Discantus-Kathedrale hinter sich.

24
    Kinder des Soliel
    T ahn hörte feinen Schiefer unter seinen Füßen knirschen, als er auf die riesige, dunkle Ebene hinaustrat. Ein feuchter Wind hob sanft sein Haar an, und er zählte schnell seine Freunde durch. Alle waren sicher angekommen. Er sah sich nach dem Stoff um und erblickte ein in die leere Luft gerissenes Loch, das die Stühle und den Raum zeigte, in dem der Maester sein Lied leise zu Ende brachte. Die gewebten Fäden begannen sich aufzulösen, kehrten in ihre frühere Form zurück und verzerrten das Bild, das hinter ihnen lag. Binnen weniger Augenblicke war das erleuchtete Zimmer verschwunden und einer undurchbrochenen Landschaft gewichen, die am Horizont in dunkle Wolken überging.
    Vendanji eilte zu Braethen, half dem Sodalen, sich auf den Boden zu legen, und rollte seinen Umhang als Kopfkissen für ihn zusammen.
    »Atme ruhig«, sagte der Sheson sanft.
    Dann legte Vendanji eine Hand auf die Wunde in Braethens Bein und hielt ihm die andere Hand über den Bauchnabel. Er sagte etwas, das Tahn nicht verstehen konnte, weil sein Umhang laut im Wind flatterte. Wenige Momente später entspannte sich Braethens Gesicht. Vendanji trug eine Salbe auf und verband die Wunde

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