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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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obwohl unsere Giebel und Turmspitzen besudelt sind, sind unsere Absichten es nicht. Dass Ihr in Begleitung dieser Frau seid, hat es uns erleichtert, Euch die Tür zu öffnen.« Er sah Wendra an. »Ihr habt sie beschützt. Damit habt Ihr in mir einen Verbündeten gewonnen. Aber sie muss jetzt hierbleiben. Wohin auch immer Euer Autor Euch geschrieben hat, es ist nach dem Gesindel dort draußen zu urteilen gewiss kein sicherer Zufluchtsort.«
    Vendanji wandte sich Wendra zu und schien seine Ungeduld, zu erledigen, was zu tun war, für einen Augenblick zu vergessen. Dann führten der Maester und Vendanji Wendra ein Stück von den anderen weg.
    Der Sheson sah sie feierlich an, aber sein Tonfall war sanft: »Wendra, als ich nach Helligtal gekommen bin, war ich nicht nur um Tahns willen dort, sondern auch Euretwegen. Ich kannte Eure Eltern.« Er hielt kurz inne und schien zu überlegen, was er nun sagen sollte. »Noch vor Euch selbst wusste ich um die Begabung, über die Ihr verfügt. Es ist eine mächtige Gabe, und sie wird hier verzweifelt benötigt.« Der Sheson sah nach oben, wies auf die Discantus-Kathedrale.
    Wendra fühlte sich, als ob es ihr den Atem verschlagen hätte. Vendanji hatte Bescheid gewusst? Ihr Vater etwa auch? Ihre Mutter? Sie fühlte sich hinters Licht geführt, getäuscht. Sie war im Zuge dieser ganzen Angelegenheit beinahe an die Bar’dyn verkauft worden. Dann wurde ihr klar, dass ihre Stimme sie zugleich vor diesem Schicksal bewahrt hatte. Und natürlich wäre sie sonst auch Penit nie begegnet. Sie drehte sich um und sah den Jungen an. Dass er in Sicherheit war, reichte schon aus, ihr Herz kurz Erleichterung verspüren zu lassen.
    Dann sah sie wieder Vendanji und Belamae an. »Warum?«, fragte sie. »Geht es um das, was hinter Euren Spiegelteichen liegt, Belamae?«
    Der Maester erklärte ihr, dass das Leidenslied die gesungene Form der Verse der Verlassenen war und dass es ohne Unterlass gesungen werden musste, um den Schleier aufrechtzuerhalten, der die Stille in den Born bannte. Er erläuterte, dass es nur wenige Leiholan gab und dass sie … müde waren.
    Nachdem er geendet hatte, ergriff wieder Vendanji das Wort. »Ihr seid der Grund, weshalb wir nach Decalam gekommen sind, Wendra. Es gibt noch viel zu tun, und um diese Aufgaben müssen wir uns jetzt kümmern. Aber Euer Platz ist hier.«
    Wieder verschlug es ihr den Atem. Die Enthüllungen waren zu schnell und unvermittelt auf sie eingestürmt. »Was ist mit Penit?«
    Vendanji wandte sich nicht ab, als er sagte: »Er kommt mit uns. Ihr werdet ihn gehen lassen müssen.«
    In mancherlei Hinsicht machte das Wendra mehr Angst als alles andere, was sie gehört hatte. Verzweiflung regte sich in ihrer Brust. Sie spürte, wie die Last der bevorstehenden Entscheidung auf sie einstürzte, und hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen.
    Oft, wenn sie in Panik geriet, sang oder summte sie oder spielte sogar im Geiste eine Melodie, um sich zu beruhigen. Aber jetzt erinnerte sie der Gedanke daran, das zu tun, nur an die Wahl, vor der sie stand. Sie konnte sich unmöglich entscheiden. Dann sah sie erneut den Jungen an, dachte an ihr verlorenes Neugeborenes und an alles, was sie getan hatte, um Penit zurückzuholen, nachdem sie auch ihn verloren hatte.
    Ihre Ruhe kehrte zurück. Sie wandte sich wieder Vendanji zu und sah ihm unverwandt in die Augen. Der durchdringende Blick des Sheson musterte ihre Stirn, ihre Wangen und ihr Kinn, bevor er den Maester ansah.
    »Sie hat sich entschieden«, sagte Vendanji. »Sie wird uns begleiten. Aber ich gebe Euch mein Wort, dass ich sie beschützen werde, Belamae.«
    Das Auftreten des Mannes veränderte sich merklich; Wendra hatte den Eindruck, dass daraus weniger Zorn als Besorgnis sprach. Der Maester nickte, wandte sich zum Gehen und führte sie einen dunklen Gang entlang.
    Niemand sagte etwas. Vendanji ging unmittelbar hinter Belamae, dichtauf gefolgt von Wendra und Penit. Danach kamen Tahn und Sutter. Mira und Grant, die Braethen von beiden Seiten stützten, bildeten den Abschluss. Aus der Ferne hörte Wendra das gleiche melodische Summen wie zuvor: das Leidenslied, das tief in der Kathedrale gesungen wurde.
    Jenseits der Mauern war noch immer Geschrei zu hören, das ihre Schritte zu größerer Eile anspornte.
    Wenn sie die Kathedrale zu stürmen versuchen, wird das Portal dann halten?
    Belamae führte sie durch mehrere Gänge, in denen kleine Kerzen auf schmalen Regalen brannten und ihren Weg schwach beleuchteten. Sie

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