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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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jedes Mal klar zu erkennen, wenn Blitze den Himmel durchzuckten.
    Als sie näher herankamen, sah Tahn, dass die Mauern sich als glatte, nahtlose Flächen erhoben. Keine Fugen oder vorspringenden Steine boten Halt, und es gab kein Tor. Mira führte sie zum Fuß der großen Mauer. Mit sicheren Bewegungen zeichnete sie mit den Fingerspitzen ein Symbol auf die glatte Oberfläche. Dann wiederholte sie das Muster und zeichnete es schließlich ein drittes Mal.
    Nachdem sie den letzten Durchgang beendet hatte, ertönte ein leises Rauschen von Luft aus der Mauer, und ein großes Tor begann nach innen aufzuschwingen. Tahn reckte sich, um zu erkennen, was die Fern getan hatte, sah aber keine Zeichnung auf der Tür und auch kein Schloss im üblichen Sinne. Das Tor bewegte sich in einem langsamen, gezielten Bogen, aber es ertönte kein Laut, weder ein Knirschen von Stein noch ein Quietschen der Angeln. Binnen kurzer Zeit hatte sich ein Eingang, der groß genug war, ein Pferd durchzulassen, in der Mauer aufgetan. Mira setzte sich in Bewegung.
    Als sie alle das Tor passiert hatten, sah Tahn Mira stumm vor einem männlichen Fern stehen. Mira hob die rechte Hand und legte ihm die mittleren drei Finger mit einer Zärtlichkeit an die Lippen, um die Tahn ihn beneidete. Während ihre Hand noch auf seinen Lippen ruhte, erwiderte der Fern die Geste. Keiner von beiden sprach ein Wort. Mira zog die Hand zurück und bedeutete den anderen, ihr zu folgen.
    Die Stadt erhob sich in schnörkellosen Konturen aus Schiefer. An manchen Stellen war in den Gebäuden auch dunkles Holz als Stützbalken oder Fensterrahmen verbaut, aber die undurchdringliche Düsternis des schwarzen Schiefers prägte beinahe jedes Haus.
    »Sehr hübsch ist das nicht«, murmelte Tahn.
    »Ich weiß nicht«, sagte Braethen hinter ihm. »Darin liegt eine Art schlichte Schönheit, finde ich, zumindest eine Art Einfachheit. Außerdem glaube ich nicht, dass sie den Schiefer verwendet haben, weil sie nichts anderes hatten.«
    »Was meinst du damit?« Der Rübenbauer drehte sich im Sattel nach dem Sodalen um, der eifrig die Umgebung in sich aufnahm.
    »Ich meine damit, dass die Fern sich den Soliel ausgesucht haben, weil er von Schiefer geprägt ist.« Braethen sah Tahn an. »Oder dass die Edlen sie wegen des Schiefers hierher gesandt haben.«
    »Warum? Hat das etwas mit ihrer Persönlichkeit zu tun?«, fragte Sutter und vergewisserte sich rasch, dass niemand ihn gehört hatte.
    Braethen lächelte und erklärte: »Schiefer wird in den Geschichtsbüchern als Element ohne Forsa beschrieben, oder zumindest mit so wenig Forsa, dass es keinen Wert für die …«
    »… Stilletreuen hat.« Grant brachte sie mit seiner Einmischung zum Schweigen. Er starrte unverwandt geradeaus, schien aber weder den Stein noch Tahn und seine Gefährten zu sehen. Tahn hatte das Gefühl, dass das, was der Mann vor sich sah, sich immer noch im Mal befand, dass Grant selbst innerlich vielleicht für immer dort bleiben würde. »Das Land kann sich im Laufe der Zeit von selbst wieder erholen, wenn man es in Ruhe lässt … falls es dem Allwillen entspricht, dass es so geschieht. Dieser Ort dagegen ist schon zur ewigen Ruhe gebettet.« Grant konzentrierte sich auf Mira, die den Zug anführte. »Wie sie hier im Wohlstand leben können, und das schon vom ersten Tag an … Das ist ein Wunder. Es muss einen Grund dafür geben, ein ganzes Volk in die Verbannung zu schicken.«
    Der Fern, der sie empfangen hatte, führte sie nur um ein paar Biegungen. Die Hufe trommelten auf Schieferpflaster, das von unzähligen Wohnhäusern, Läden und Speichern umrahmt war, aber Tahn sah keinen einzigen Fern auf die Straße treten, um die Reiter zu begaffen. Es kam auch niemand beiläufig vorbeispaziert, und er sah keine Gesichter aus Fenstern spähen. Er hörte nicht die üblichen Musikfetzen aus Tavernen oder das übermütige Gelächter und Geschrei von Männern und Frauen, die sich betranken. Alles war still, als würde die Stadt schlafen, obwohl hinter vielen Fenstern sogar zu dieser späten Stunde noch Licht brannte.
    Eine ganze Stadt wie Mira. Sind sie alle so schön?
    Sie machten vor einem großen, rechteckigen Gebäude halt, dessen runde, geriffelte Säulen ein Dach trugen, das einen umlaufenden Gang beschirmte. Weit hinter den Säulen erhob sich eine drei Stockwerke hohe Halle. Lange Stufen führten terrassenförmig in Zweiergruppen von der Straße ins Erdgeschoss empor. Mira stieg ab und reichte die Zügel dem Mann, der sie

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