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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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hatte.
    Das kleine Lager wurde zu einem Strudel aus Glut, Blättern, Zweigen und Staub, die sich zu Wirbeln vermischten und in den Ritzen der Bäume und großen Wurzeln tanzten. Tahns Haar peitschte um seinen Kopf herum und schlug ihm in die Augen, aber er hielt die Arme erhoben und versuchte, ruhig auf Sevillas Gestalt zu zielen. Er sah den Klippenrand aus seinem Traum, die unmöglichen Ziele – die Wolke, den Berg, den Horizont – und verschloss die Augen vor ihnen. Er fühlte sich dem Abgrund nahe und war bereit, die Sehne zu lösen, wollte sie auch lösen und sich dem Gefühl hingeben, das in ihm aufwallte.
    Dann kam der Wind mit einem Schlag zum Erliegen, und das Feuer fiel in sich zusammen, bis nur noch eine schmale Flamme übrig war. Tahn öffnete die Augen. Sevilla wich einen Schritt zurück, bevor er sich zum Gehen wandte.
    Tahn sah ihm nach, unfähig, sein Zittern zu unterdrücken oder die Bogensehne zu entspannen. Seine Muskeln schmerzten, wollten ihm aber nicht gehorchen. Am Rande des Lichtscheins drehte Sevilla sich halb um und warf einen Blick zurück. Seine Kleider hingen immer noch in zerlumpten Fetzen, aber sein Gesicht war wieder das des liebenswürdigen, weltgewandten Mannes, als den sie ihn kennengelernt hatten. Er schien nahe daran zu sein, etwas zu sagen, und bewegte stumm die Lippen. Dann verschwand er zwischen den Bäumen. Tahn brach, den Bogen immer noch umklammert, zusammen und starrte in das niedrige Kronendach aus eng verflochtenen Zweigen empor.
    Dann wurde alles schwarz.
    Sutter wand sich auf dem wurzelüberwucherten Waldboden der Wildnis.
    Seine Seele schmerzte.
    In dem Moment, als Sevilla ihm die geisterhafte Hand in die Brust gesteckt hatte, hatte er dort zugleich etwas gepackt. Es tat anders weh als eine Schnittwunde oder ein Knochenbruch. Dieser Schmerz war nicht körperlich, sondern irgendwie geistig. Sutter fühlte sich, als ob dieses Geschöpf seine Seele in den Griff bekommen hätte, und die eisige Berührung hatte ihn eine schreckliche, unabänderliche Wahrheit gelehrt: Seine Forsa konnte von seinem Körper getrennt werden.
    Einen fürchterlichen Augenblick lang dachte er, dass dieses körperlose Geisterwesen ihn besessen machen und Sutters Seele zu der leeren Existenz zwingen wollte, die es selbst erlebt hatte. Aber sobald ihm der Gedanke gekommen war, hatte er sich auch schon aufgelöst wie ein Atemhauch auf Glas. Und dann wurde ihm klar, was Sevilla (oder wie auch immer sein wahrer Name lautete) wollte. Er machte Jagd auf die Steinsberger, um zu versuchen, ein Tabernakel für seinen eigenen Geist zu finden. Hoffte er also, dass er, wenn er irgendwie die Gebeine eines Menschen aus Steinsberg in Besitz nehmen konnte, selbst ein sterbliches Leben beginnen könnte?
    Trotz all seiner Schmerzen durchzuckte Sutter der Gedanke, dass wahres Leben, wahre Vollständigkeit , sich nicht einfach nur daraus ergab, dass ein Geist Fleisch bewohnte, sondern dass es damit noch mehr auf sich hatte. Und so war Sevilla, dem genau dies fehlte … verdammt.
    Die Kreatur heulte bei dem Gedanken auf, den sie durch eine gespenstische Verbindung mit Sutter gehört hatte – sie hatte seine Gedanken gelesen.
    Dann begann der erbitterte Kampf.
    In der Absicht, Sutters Körper in Besitz zu nehmen, wollte diese Penaebra ihm die Seele herausreißen und in die Wildnis verbannen. Sutter spürte, wie er sich selbst in seinem Körper verschob und sein Geist darum rang, im Tabernakel seines Körpers unversehrt zu bleiben.
    Ihm verschwamm alles vor den Augen: Im ersten Moment sah er noch das entsetzlich verzerrte Gesicht der Kreatur vor sich, im nächsten tiefes Blau, in dem Bilder der zahllosen Toten vorbeizogen, die ihn beobachteten oder klagten. Irgendwie konnte er mit den Augen seines inneren Selbst die unsichtbare Welt der Unbehausten sehen, der Geister, die keinen Körper hatten. Sie suchte ihn mit unbarmherziger Klarheit heim, während er sich gleichzeitig aus Sevillas Griff zu befreien versuchte.
    Er war sich nur vage bewusst, dass Tahn noch da war – Bewegungen irgendwo in der Nähe.
    Und seine Seele begann ihm zu entgleiten.
    Eine entsetzliche Tröstlichkeit schlich sich in ihn ein, die furchtbare Sicherheit, die Ungewissheit künftiger Entscheidungen hinter sich zu lassen. Er sah an sich herab und gab sich dann endgültig der Wirklichkeit hin, die ihn umfing. Er hatte diese violette, schwarze und himmelblaue Welt bisher nur bruchstückhaft durch die tödliche Umarmung der Kreatur erhascht.
    Und im

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