Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
weiß, dass Gefahr besteht, aber es ist nur die Gefahr, das Leben zu verlieren, das ich habe. Das scheint nichts anderes zu sein als das, was du in deiner eigenen Vergangenheit getan hast.« Er sah den Verbannungsbefehl an der Wand an.
Grant blieb das Lachen in der Kehle stecken. »Scharfsinnige Worte für einen Jungen, der gerade erst aus seinen Büchern aufgetaucht ist. Bevor der Dreiring und sein Flinkfuß mir die Fragen stellen, die sie stellen müssen, lass mich dir antworten.« Er zeigte mit dem Finger auf Braethen. »Ich habe mich freiwillig entschieden, herzukommen. Das Pergament an der Wand erinnert mich daran. Es ist ein hässlicher Ort, und das nicht aus irgendeinem der Gründe, an die du denkst. Aber weil ich nun einmal hier bin, werden die Grünschnäbel, von denen du sprichst, nicht in die Hand der Stilletreuen verkauft. Und solange diese jungen Leute hier sind, zeige ich ihnen, wie sie verhindern können, dass ihnen ihr freier Wille genommen wird.« Grant lehnte sich zurück, und sein Gesicht entspannte sich wieder. »Und das muss durch körperliche Verteidigung geschehen; alles läuft darauf hinaus. Aber vielleicht wusstest du das ja schon, da du selbst ein Schwert trägst und bereit warst, es gegen mich zu ziehen.«
Keiner von ihnen sagte etwas, und das Feuer prasselte in der Stille.
Über das leise Knacken des brennenden Holzes hinweg fragte Vendanji: »Warum setzt du dann die Charta neu auf?«
Grant bedachte Vendanji ohne jedes Lächeln mit einem trostlosen Blick. »Vielleicht nur, um festzuschreiben, was aus uns geworden ist und was uns bevorsteht, wenn die Hand sich öffnet und die Geißel aus dem Born sich bis in die fernsten Lande ausbreitet.«
»Zu dem Zweck muss keine Charta aufgesetzt werden«, konterte Vendanji.
»Da du nur dieses eine Mal hier bist, erzähle ich es dir.« Er stand auf und ging zu dem Tisch, auf dem die Pergamente ausgebreitet lagen. »Es ist meine Schlüsselblume in dieser Wüste. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, diese Worte zu schreiben und doch nicht zu glauben, dass sie möglich sind. Aber sie nicht zu schreiben wäre so, als würde man zugeben, dass die Liga der Exigenten recht hat. Und wenn dem so wäre, könnte ich nicht hierbleiben.« Seine Augen schienen in weite Ferne zu blicken. Er murmelte: »Und die Wiege wäre als Sarg gnädiger denn als Verheißung des Lebens.«
»Was für einen Beweis hast du dafür, dass der Born sich jemals über die Hand hinaus ausbreiten wird?«, fragte Vendanji und musterte die Dokumente unter Grants Fingern.
»Dich«, sagte der Mann.
Wieder sprach niemand, und das einzige Geräusch war das Knistern des Harzes in den Flammen. Mira stand still wie eine Statue. Draußen näherten sich Hufschläge. Grant ging zur Tür und gab ein paar Anweisungen. Drei der sechs rannten wieder in die Dämmerung; die anderen drei kamen herein und stellten sich in die Nähe des Flureingangs.
Vendanji bedachte die Neuankömmlinge mit einem Blick. »Kann man ihnen vertrauen?«
»So sehr, wie du mir vertrauen würdest«, antwortete Grant.
Der Sheson schien zu zweifeln, wandte sich dann aber wieder Grant zu. »Die Regentin hat eine Besetzung aller Sitze am Ratstisch verfügt … und ein Großes Mandat.«
Grant runzelte unbeeindruckt die Stirn. »Es gab nie einen Regenten, der die Prophezeiung nicht erfüllen wollte. Aber die Worte von Sehern lassen sich nicht gern dazu zwingen, Früchte zu tragen, bevor es an der Zeit dafür ist.«
»Vielleicht«, pflichtete Vendanji ihm bei, »aber nicht allein Vohnce folgt dem Ruf.«
»Und die Seevölker, die hinter der Ajela, die nördlichen Königreiche jenseits von Ir-Caul?«, fragte Grant. »Kümmert sie der Zweite Eid mehr als der Erste? Erinnern sie sich überhaupt daran? Das sind alte Bündnisse, die schon seit Menschengedenken hinter uns liegen. Politische Großmannssucht dieser Art hat mich hergebracht. Euer Höchstes Gericht wird dick und fett werden, wenn sich alle um die Besetzung militärischer Ämter und die Einkünfte aus Ländereien zanken – und das gilt für diejenigen, die überhaupt teilnehmen. Die Übrigen verteidigen ihre eigenen entlegensten Grenzen, so gut es geht, und können ein Mandat nicht gebrauchen.«
»Vielleicht hast du recht. Aber es ist nicht so, als ob das keine Rolle spielen würde … Ein Ruf hat begonnen, um dem Leidenslied ein Ende zu setzen, das aus den Versen der Verlassenen gesungen wird.«
Diese Feststellung sorgte für Schweigen im Raum.
Braethen
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