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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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hintersten Winkel seines Verstandes stellte sich ein ironischer Gedanke seiner Kapitulation entgegen: Ich werde aus meinem eigenen Körper gerupft wie eine Wurzel aus trockener Erde.
    Also kämpfte er dagegen an, dass ihm das Leben aus dem Körper gerissen wurde, doch das Brennen, als sich seine Seele aus dem Fleisch löste, wurde unerträglich heftig, und bald schien der wahre Tod ihn zu sich zu winken.
    Aber Sevillas Hand wurde weggerissen und musste ihren Klammergriff um sein Herz lösen. Düstere Gedanken und Träume zogen sich in blendender Hast zurück, und Sutter brach auf dem Waldboden unter seinem Freund zusammen, der die Kreatur gezwungen hatte, ihn loszulassen.
    Er wusste in seiner Qual, dass ein Teil von ihm verloren gegangen, gestohlen worden war.
    Aber dafür hatte er etwas anderes gewonnen.
    Regentropfen prasselten auf Tahns Wange. Er wachte auf, und der Regen fiel ihm auch in die offenen, verstörten Augen. Das Gewirr aus ineinander verschlungenen Zweigen verstellte ihm den Blick auf den Himmel und sorgte dafür, dass der Regen sich erst in den Blättern sammelte, bevor er fiel. Das Feuer war niedergebrannt und zischte, wenn der Regen auf die abkühlende Glut traf. Tahn fuhr sich übers Gesicht und verteilte die Feuchtigkeit in dem Bemühen, sich zu erfrischen. Er lag reglos da und lauschte dem Prasseln des Sturms, als er auf die obersten Blätter der Wildnis traf. Tahn war nie im Hafen von Su’Winde gewesen, doch Hambley war in seiner Jugend einmal dorthin gereist und hatte beschrieben, dass das Geräusch der Wellen, die sich am Ufer brachen, sich fast wie das eines Gewittersturms anhörte, der auf die Borke und Zweige der Kiefern im Helligwald einpeitschte. Genau dieses Geräusch hörte Tahn jetzt.
    Er wollte liegen bleiben, den Regen auf sich fallen lassen und sich in dem Geräusch verlieren, das ihn zu verbergen schien. Aber Sutter stöhnte leise, und Tahn zwang sich, sich aufzusetzen. Er konnte den Rübenbauern nur als vertrauten dunklen Umriss in einer Vertiefung zwischen den nächtlichen Schatten unter dem Kronendach der Bäume erkennen. Tahn versuchte aufzustehen, aber seine Beine bekamen sofort einen Krampf, als er sie belastete. Also wälzte er sich auf den Bauch und robbte auf Sutter zu.
    Sein Freund lag da und hielt sich die Brust. Kein Riss, unter dem sich eine Wunde hätte verbergen können, verunzierte seine Kleidung, und an seinen Fingern klebte kein Blut.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?« Die Worte klangen töricht, sobald er sie ausgesprochen hatte.
    Sutter holte Luft, um zu antworten, hustete aber nur, als er es versuchte, krümmte sich vor Schmerz und umklammerte seinen Oberkörper mit beiden Armen. Er drehte sich auf die Seite und rollte sich eng zusammen, bis die Zuckungen vorüber waren. Matt flüsterte er: »Kalt.«
    »Ich hole dir deine Decke«, sagte Tahn und versuchte erneut aufzustehen. Seine Beine weigerten sich, und er plumpste neben Sutter.
    »Da drinnen«, fügte sein Freund hinzu und fasste sich an die Brust.
    Tahn blickte zu der Stelle hinüber, an der Sevilla zwischen den Bäumen verschwunden war. Was, wenn er zurückkommt? Was, wenn ich versucht hätte, den Bogen ohne Pfeil abzuschießen? Er betrachtete suchend den Wald ringsum, bis er sich vergewissert hatte, dass sie allein waren. Sie konnten nicht hierbleiben. Die seltsame Kreatur, deren Hand er nicht gespürt hatte, würde zwar vielleicht nicht zurückkommen, aber womöglich gab es noch mehr von ihresgleichen, was auch immer sie war.
    »Wir müssen hier weg«, sagte Tahn.
    Sutter nickte, die Augen noch immer fest geschlossen. Er löste die Lippen voneinander und sagte mit zusammengebissenen Zähnen: »Ich kann nicht reiten.«
    Der Regen begann heftiger zu fallen, prasselte lauter auf die Blätter und floss in Miniaturwasserfällen zu Boden. Die Kohlen des Feuers zischten und dampften kräftiger und ließen Rauchwolken in die Luft steigen. Tahn zog die Knie unter sich und setzte sich wieder auf. Er sah sich nach langen Ästen um, aus denen er eine Trage bauen konnte, und entdeckte nicht weit von den Pferden einen umgestürzten Baum. Er versuchte ein drittes Mal aufzustehen, aber seine Beine trugen ihn nur einen Moment lang, bevor er vornüber auf die verkrümmten Luftwurzeln stürzte. Er stieß sich ein Knie heftig an einer großen, knotigen Wurzel. Sein Kopf pochte von seinem schnellen Herzschlag, und ihm verschwamm alles vor den Augen. Jeder Atemzug schien ihm geradewegs ins Blut zu gehen und sein Herz zu

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