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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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Schreie verstummen zu lassen und meinem Leben ein Ende zu setzen, bevor es begonnen hatte.«
    Die Enthüllung verschlug Tahn den Atem. Wie lange lebte sein Freund schon mit diesem Wissen? Es tat Tahn weh, auch nur davon zu hören, und das Bild erhob sich wie ein Spuk, von dem sogar Tahn wusste, dass er ihn nie wieder würde vergessen können.
    Sutter sah Tahn in die Augen und fuhr mit leiser Stimme fort: »Er hat mich gerettet, Tahn. Filmoere, mein Vater, hat mich als seinen eigenen Sohn angenommen. Mich großgezogen. Mir ein Leben geschenkt. Und er hat mir die Wahrheit darüber gesagt, weil er fand, dass die Wahrheit der einzige Weg war.« Dann weinte Sutter erneut, aber nur stumm. »Er hat mir gesagt, die bessere Wahrheit sei die, dass er stolz auf mich sei und dass nichts von dem auf der Wiese wichtig wäre. Hat mir gesagt, dass er mich lieb hat.« Als er sich beruhigt hatte, blickte Sutter Tahn erneut an. »Also ist Balatin immer noch dein Vater. Er hat Fehler begangen, und er hätte dir die Wahrheit sagen sollen, aber er hat dich nicht im Stich gelassen, das kann ich bezeugen.«
    Sie saßen lange Zeit im Dunkel der Felsspalte beisammen und blickten auf den Soliel hinaus. Tahns Laune besserte sich ein wenig, und er malte sich die Morgendämmerung aus, allerdings nur kurz.
    Bis Sutter abermals sprach.
    »Tahn, hast du je mit offenen Augen geträumt?«, fragte Sutter. Er ließ die Frage in der Luft hängen. »Hast du je am Fenster gestanden und überirdische Dinge gesehen, von denen du nicht glauben wolltest, dass sie echt sind?«
    Eine Böe umtoste die Klippe über ihnen, und als sie vorüber war, wurde es völlig windstill. In der Ferne tauchte die erste Spur des neuen Tages den Himmel in dunkelviolette Farbschattierungen.
    Am Ende schüttelte Tahn den Kopf.
    »Ich habe ein paar Dinge gesehen«, fuhr Sutter fort. »So hatte ich etwa Träume in den Augenblicken, bevor ich aufwache, und in den letzten Momenten, bevor ich einschlafe. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll – vielleicht ist es Übermüdung. Keine Ernte hat mich je so angestrengt wie das hier.« Er wies in Richtung der Pferde und der anderen. »Aber ich glaube, es sind nicht nur Träume. Ich habe sie auch, wenn ich weiß, dass ich wach bin, und sosehr ich mich auch bemühe, sie verschwinden nicht, wenn ich ihnen sage, dass sie gehen sollen. Es fällt mir schwer zu schlafen. Ich muss jemandem davon erzählen, Tahn. Ich muss es dir erzählen.«
    Tahn nickte. »Was hast du gesehen?«
    Sutter wandte den Blick ab und sah zum Horizont. Der Himmel war von Lichtstreifen durchzogen. »Gestern Nacht, als ich unter den Augen der Fern geschlafen habe, war es stärker denn je. Aber seit dem Gefängnis in Decalam habe ich es jede Nacht erlebt …«
    »Was denn?« Tahn veränderte seine Sitzposition. Die mögliche Tragweite der Worte seines Freundes behagte ihm nicht.
    »Ich sehe Gesichter, Tahn. Die ganze Zeit, und nicht so, wie du es tust, wenn du an sie denkst und dich zurückerinnerst. Das ist es nicht.« Sutters Stimme begann zu zittern. »Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie mich ansehen und versuchen, mir etwas mitzuteilen. Aber ihre Augen sind leer; es ist, als würden sie durch mich hindurchsehen oder als wären sie gar nicht wirklich auf dieser Welt, so dass ich nur einen Blick auf sie in der anderen Welt erhaschen kann, die sie bewohnen.«
    »Auf wen?«, hakte Tahn nach. »Wen siehst du?«
    Sutter wandte mit unheilverkündender Langsamkeit den Kopf. »Glaubst du mir, wenn ich es ausspreche? Und verzeihst du mir, wenn es wahr ist?«
    »Was?«, fragte Tahn. Aber innerlich war er sich nicht sicher, ob er es wissen wollte.
    »Hattest du je den Eindruck, dass die Geschichten, die wir uns am Feuer erzählt haben, mehr wären als nur abendliche Unterhaltung? Hast du je« – Sutter schluckte – »die Seele eines Menschen gesehen, Tahn? Denn ich glaube, dass ich sie sehe. Ich glaube, dass ich den Tod sehe, bevor er eintritt.« In ruhigem Ton schloss er: »Und ich glaube, er begleitet uns zum Tillinghast.« Sutter wandte den Blick von seinem Freund ab.
    Tahn tätschelte Sutters Bein. »Vielleicht fehlt dir nur ein bisschen Schlaf, Rübenbauer. Ich könnte jedenfalls welchen gebrauchen!«
    »Vielleicht«, pflichtete Sutter ihm bei, doch er war nicht überzeugt. Er zupfte an der Lederschlinge um seinen Finger, die der Sedagin ihm geschenkt hatte. Tahn glaubte, dass sie Sutter an eine andere Art von Kraft und Wahrheit erinnerte, von der er wusste, dass er

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