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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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und der endlosen Reihe von Tagen, die ihnen vorausgegangen waren. Vor seinem inneren Auge sah er das Bild einer schrecklichen Wasserhose, die einen hilflosen Hirsch in den Schlamm drückte, und erinnerte sich daran, dass das Tier nicht hatte sterben sollen. Was empfand er angesichts von Miras Tod? Sollte sie sterben?
    Tahn schüttelte den Gedanken ab, als Sutter weitersprach: »Glaubst du, es wird für immer so bleiben? Werde ich nun mein Leben lang alle sehen, die bald sterben, bis ich ihnen irgendwann Gesellschaft leiste?«
    »Ich weiß es nicht, Sutter. Aber ich sage dir, was ich weiß. Solange du mich brauchst, werde ich dir gegen diese Visionen beistehen, so gut es mir möglich ist.«
    Tahn konnte sehen, dass seine Worte seinem Freund halfen. Sutter biss entschlossen die Zähne zusammen. »Ich weiß nicht, was am Ende dieses Gebirges liegt, Tahn. Ich weiß nicht, was uns am Fels der Erneuerung erwartet. Aber was es auch sei, ich werde alles, was in mir steckt, geben, um dir zu helfen. Und wenn wir schwach werden, werden die Gesichter, an die wir uns erinnern, die Gesichter, für die wir bis zum Ende durchhalten werden, die unserer Väter sein, die uns beigestanden haben, als andere nicht dazu bereit waren.«
    Tahn hatte einen Kloß im Hals, und ihm kamen die Tränen. Er umarmte seinen Freund und stand dann auf, den Kopf noch immer angefüllt vom Schmerz der Enthüllungen, aber nun auch von der Warnung, Zweifeln und einer namenlosen Sehnsucht. Er ließ Sutter, in der Felsspalte kauernd, zurück und ging zu Jole, um seinen Sattel und seinen Proviant zu überprüfen und sich mit jeder nur denkbaren gewöhnlichen und alltäglichen Aufgabe zu beschäftigen.
    Als er an den Sattelgurten herumspielte, stellte Wendra sich neben ihn.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie mit belegter Stimme.
    Tahn wurde bewusst, dass er und seine Schwester zum ersten Mal seit dem Angriff der Bar’dyn miteinander sprachen, und die Schuldgefühle, die ihn durchzuckten, ließen ihn erröten und ein schwaches Lächeln auf seine Lippen treten. »Ich hatte schon bessere Tage. Wie geht es dir?« Er deutete auf ihre Kehle.
    Wendra berührte behutsam ihren Hals. »Tut noch weh«, brachte sie heraus. »Fühlt sich an, als ob der Bluterguss bis tief in meine Kehle reicht. Reden allein ist schon anstrengend.« Sie hustete leicht.
    »Dann tu es nicht«, sagte Tahn. »Wir können uns später unterhalten. Aber ich bin froh, dass du auf den Beinen bist. Ich nehme an, ich habe immerhin einen Grund, Vendanji dankbar zu sein.« Tahn sah den Hügel hinauf, wo der Sheson mehrere Schritte entfernt seinen Raubvogelblick über dasselbe Panorama schweifen ließ, bei dessen Betrachtung er Sutter zurückgelassen hatte. »Hast du manchmal das Gefühl, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn wir einfach in Helligtal geblieben wären?«
    Wendra folgte Tahns Blick und deutete dann auf Penit, der methodisch seinem Pferd die Beine abrieb und leise Teile eines Liedes summte, das Tahn Wendra oft hatte singen hören. Sie flüsterte: »Manchmal. Aber im Großen und Ganzen bin ich froh, mitgekommen zu sein. Sonst wäre ich Penit nie begegnet, und trotz der Gefahr ist es für mich schon die ganze Zeit über eine Art Segen, mich um ihn zu kümmern.« Sie wandte sich wieder Tahn zu. »Und Balatin hätte gewollt, dass ich bei dir bin. Er hat mir oft erzählt, welche Pflichten wir einander gegenüber haben.« Sie ergriff seine Hand. »Ich habe dich lieb. Du bist jetzt meine einzige Familie.«
    Heftige Gefühle wallten in Tahn auf. Als er Wendra ansah, liebte er sie immer noch wie eine Schwester, aber sein neues Wissen warf einen Schatten auf diese Zärtlichkeit. Sie war nicht seine echte Schwester, obwohl sie das nicht wusste. Tahn sah zu dem Sheson hinüber und fragte sich, ob er Wendra alles erzählen sollte. Welche Folgen mochte das haben? Er beschloss, es erst einmal zu lassen. Sie hatte schon zu viel durchgemacht.
    »Außerdem werden wir doch, wenn dieser ganze Spaß vorbei ist, zurückkehren, und Hambley wird uns die Teller immer mit heißem Essen vollhäufen, weil wir seinen Gästen so viele Geschichten zu erzählen haben.« Wendra verdrehte spielerisch die Augen. »Vielleicht bringt mir das sogar etwas Aufmerksamkeit von anderen heiratsfähigen Männern als Sutter ein.« Sie hustete erneut und unterdrückte das Geräusch rasch mit der Handfläche.
    Tahn staunte über die Widerstandskraft seiner Schwester und war dankbar für diesen Augenblick, der so den Tagen vor ihrer

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