Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
Voncencia eine gute Mutter. Der Junge hatte ein gutes, einfaches, sicheres Leben geführt. Dennoch regten sich in Grants Herzen Reue und Scham.
Verlassen. Etwas, womit Grant sich auskannte und was er an sich selbst hasste.
Als er in die Ferne starrte, wusste er, dass die langen Jahre, in denen er die Kinder aus der vergessenen Wiege in die Häuser derjenigen gebracht hatte, die vielleicht in der Lage waren, besser für sie zu sorgen, eine Art persönlicher Buße gewesen waren. Nicht, weil Helaina ihn dazu verurteilt hatte, sondern weil er durch diesen Dienst versucht hatte, wiedergutzumachen, dass er selbst jemanden verlassen hatte.
Und wenn er ehrlich war, verabscheute er sogar seinen alten Freund, Balatin, trotz des gewaltigen Gefallens, den der Mann ihm getan hatte. Denn er stellte sich die Augenblicke vor, die sein Freund gemeinsam mit Tahn verbracht hatte und die Grant selbst nie erleben würde.
Aber die vielen Jahre, in denen er Mündel im Mal großgezogen und diejenigen beschützt hatte, die er hier und da untergebracht hatte, verliehen ihm die Überzeugung, dass er wusste, was für ein Kind oder einen jungen Mann das Beste war. In diesem Wissen würde er Trost suchen müssen. Vielleicht würde er sogar darauf zurückgreifen müssen, um Tahn später in den Saeculoren anzuleiten.
Oder danach, wenn Tahn den Fels der Erneuerung überstand.
Und obwohl das Mal nicht so in Tahn eingedrungen war wie in ihn, sah er in seinem Sohn trotz allem viel von sich selbst: Aufrichtigkeit und Sturheit im Dienste dessen, was richtig war. Es freute ihn so, wie es jeden Vater gefreut hätte, aber diese Eigenschaften hatten Grant zugleich ein ganzes Leben voller Kummer eingebracht. Er konnte nur hoffen, dass es Tahn nicht genauso ergehen würde.
Letzten Endes jedoch war die Schuld unentrinnbar. Sie brach ihm das Herz. Er konnte nicht ungeschehen machen, was vergangen war. Er konnte vielleicht hoffen, dass es seinen Sohn auf das, was vor ihm lag, vorbereitet hatte, aber er täuschte sich nicht darüber, dass er, selbst wenn Tahn überlebte, nie wirklich der Vater des Jungen sein würde.
Die Ehre hatte er fortgegeben.
Und so war die Erneuerung, die der Sheson auf dieser Felsklippe vorgenommen hatte, gleich doppelt gewesen. Grants eigenes Leben kam zu ihm zurückgewirbelt und ließ ihn so unentrinnbar und vollkommen im Mal zurück, als ob er das Ödland nie verlassen hätte.
Grant musste sein Herz langsam wieder zu Stein verhärten, um den Schmerz angesichts der Erinnerung und Entscheidung zu lindern.
Wenn sein Leben im Mal mit irgendetwas gesegnet war, dann mit der Leere, die es in einem auslöste, und es gab Zeitpunkte, zu denen der Verbannte darauf zurückgreifen konnte, um sich zu beruhigen.
Hier, an seinem eigenen Tillinghast, hoffte er, dass sie sich in ihm einstellen würde.
29
Wachträume und Vergebung
T ahn erwachte vom Knirschen von Erde und Geröll unter Sutters Stiefeln. Sein Freund war ungewohnterweise vor Sonnenaufgang wach und schritt allein in die Nacht davon. Einen Augenblick später folgte ihm Tahn.
Eiskalter Wind fegte die Bergflanke hinab und wurde von der Hitze gezähmt, die aus dem Soliel aufstieg. Am Rande der steilen Klippe hockte Tahn sich neben Sutter, der sich eine Spalte gesucht hatte, in die er sich setzen konnte. An dieser windgeschützten Stelle wurde alles plötzlich still, und Tahn starrte mit seinem Freund in der Dunkelheit unmittelbar vor der Morgendämmerung über die Ebene, fern in den Südwesten und außer Sichtweite.
Sie saßen in freundschaftlichem Schweigen da.
In vielleicht einer Stunde würde alles zur Geburt eines neuen Tages erwachen. Tahn versuchte sich daran zu erinnern, wie aufregend der Morgen früher für ihn gewesen war, wenn der Duft nach Kalmus und Eiern die Luft erfüllte, die auf einem Rost über dem Feuer brutzelten. Starker, warmer Tee kochte in Balatins Topf, und vom Hof her war zu hören, wie Holz gespalten wurde, um das Morgenbrotfeuer zu nähren, und wie die Tiere gefüttert wurden. Danach erledigte Tahn eilig seine Arbeit, bevor er in den Wald aufbrach und einen neuen Weg zu Sutters Haus entdeckte, wo sein Freund hoffentlich über seine Furchen gebeugt stehen würde, so dass Tahn ihm einen Dreckklumpen an den Hintern schleudern konnte, ohne gehört zu werden …
Als er vom Grat der Saeculoren tief in die Dunkelheit spähte, sah Tahn vor seinem geistigen Auge ein Hohes Licht, das matt und gleichgültig über die Gipfel dieser fernen Berge schien. Die
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