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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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Gesamtheit zu der Fäulnis wurden, die vor ihm stand.
    Aber Zephora war noch nicht fertig.
    Der Feind hatte selbst ein Herz, und in einem Moment des Aufbegehrens gegen Tahns kleinen Akt der Tapferkeit zerriss er sein Gewand und legte sein schreckliches Fleisch bloß. Aus Erde, Abgrund und Himmel zugleich ertönte ein dröhnender Donnerschlag, von dem Tahn wusste, dass er ihn nur im Geiste hörte.
    Da überkam ihn ein Vorgeschmack auf die Stille.
    Bosheit und Hass und die Energie, die sie zum Leben erwecken konnte, verdichteten sich zum Glanz des Weißen und erfüllten Tahns Gedanken. Sie stahlen ihm die eigene Stimme und jede Möglichkeit zur Gegenwehr oder zur Verteidigung gegen den Anbruch des Weltendes, raubten ihm jegliche noch verbliebene Kraft, sich zu entscheiden, zu hoffen.
    Tahn stürzte. Sein Körper war taub, aber er war noch bei Bewusstsein. Er lag nach einem entsetzlichen, düsteren Beifallssturm reglos in ohrenbetäubender Stille. Sein Tatendrang versiegte, da er die Last endloser Trauer und Verzweiflung spürte.
    In dem Moment verlor er seinen Namen und die ganze Geschichte, die wohl oder übel die seine gewesen war.
    Verantwortung spielte überhaupt keine Rolle mehr.
    Und plötzlich sah er sich selbst verblassen und mit einer so gewaltigen und grellen weißen Kuppel verschmelzen, dass er sich nicht sicher sein konnte, ob er nicht blind war. Das Universum war so leer wie frisches Pergament, auf dem er nur einen unsichtbaren Fleck bildete.
    Jenseits seiner Niederlage, als die Bedeutungslosigkeit ihn so gut wie verschlungen hatte, ertönte das Klirren einer zweiten Klinge, die in der Luft der Erneuerung zerbrochen wurde.
    Dann ertönten sanfte Worte, die eine vertraute Stimme leise in einer uralten Sprache äußerte. Vielleicht in der Bundessprache.
    Das gab ihm irgendwie genug Gedanken zurück, um nach dem um Hilfe zu rufen, der ihm im Verlies unter dem Solath Mahnus geholfen hatte: Rolen!
    Der Schrei füllte seinen Geist aus und hallte in die Stille, in der er schlicht hörte: Sei ruhig, Tahn. Sei ruhig. Erinnere dich daran, wie du in der Dunkelheit gestanden hast, und an das prächtige sanfte Licht tausender Sonnenaufgänge.
    Diese Worte hörte Tahn. Er öffnete die Augen und sah Mira zwischen ihm und Zephora stehen. Sie berief sich auf irgendeine uralte Verheißung und hielt einen von Quietus’ Großen in Schach, wenn auch nur noch für einen Augenblick.
    Tahns Körper und Geist waren ausgelaugt. Es war nur noch das übrig, was sein Wille aufbieten konnte. Tahn streckte die halb zerfetzte Hand aus und umklammerte seinen Bogen mit Fingern, die vom Lehm des Tillinghast verschmiert waren. Die Bewegung ließ ihn an Sutter denken und brachte eine Flut von Erinnerungen mit sich: an Wendra, an ihr verlorenes Kind, an verlassene Väter. Als all diese Opfer auf ihn einstürzten, erinnerte sich Tahn an Rolen und seinen Einstand und hörte die sanfte Stimme des Mannes. Rolen, Diener seines eigenen Untergangs.
    Tahn stemmte sich hinter der Fern, die sich betend mit zerbrochenem Schwert verteidigte, auf die Beine. Als Zephora vor Wahnsinn aufkreischte, beendete Tahn sein eigenes Gebet.
    … löst den Pfeil.
    Und schoss mit leerer Sehne.
    Nicht auf Zephora.
    Sondern in den Abgrund.
    Damit wurde er weggerissen, in den brodelnden Nebel getragen, als Pfeil seines eigenen Schusses.
    Ein lautes Brüllen brach hinter ihm los und ließ Tahn an den Tod ganzer Völker denken. Dann war es verschwunden, ausgesperrt vom Tillinghast.
    Er verschwand in den Wolken, sah nicht sich selbst, sondern nur das Vorbeirasen von Gestalten, die sich um ihn herum im leeren Nebel zusammenfügten und wieder auflösten. Er spürte, dass er seinen Körper zurückgelassen hatte und zu etwas Reinerem, Verwundbarerem geworden war. Er wurde von dem Gefühl ergriffen, sich zu bewegen – nicht körperlich, sondern durch die Zeit, durch Möglichkeiten.
    Gesichter erschienen vor ihm, wie aus dem Nebel geformte Gedanken. Manche der Gesichter lächelten, andere runzelten die Stirn, und wieder andere sprachen, aber Tahn konnte keine Worte hören. Dann brach plötzlich eine Bilderflut über ihn herein. Die Bilder waren so seltsam, dass er sie nicht benennen konnte, obwohl sie ihm vertraut vorkamen. Aber mehr noch: Er hatte das Gefühl, dass manche dieser Dinge vor ihm verborgen wurden.
    Der Wille des Allwillens.
    Sein Verstand raste weiter, strömte durch den Abgrund, während Licht und Dunkelheit nahe an ihn heranwirbelten und wieder davonhuschten.

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