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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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Händen zwischen den Fingern hervorquellen, die sich fest um den Bogen krampften, aber er zielte und spannte die Sehne.
    Diesmal benutzte er ganz gewiss keinen Pfeil.
    Der Bogen war immer nur ein Mittel, sich zu konzentrieren, wenn der rechte Zeitpunkt gekommen war. Er wusste aus den Jahren, die er mit Grant im Mal verbracht hatte, dass es nur auf die Absicht seines Schusses ankam, und auf dem Weg von Helligtal hierher hatte er etwas Neues über sich gelernt, eine tiefergehende Fähigkeit, wenn er die leere Sehne spannte.
    Im Geiste begann er gezielt die Worte zu sprechen.
    Den Bogen spannen …
    »Sei kein Narr, Quilleszent! Du weißt ja nicht, was du da tust!«
    Mira umkreiste den Draethmorte.
    Ein leises Summen begann in Tahns Kopf.
    … meine Arme …
    »Zwing mich nicht, dich zu vernichten! Entscheide dich jetzt, sonst sorge ich dafür, dass der Fall des Nebelwalds im Vergleich zu dem Leid, das deine Ars und Arsa für immer erdulden werden, noch ein rosiger Tod war!«
    Tahn spannte die Sehne immer stärker, obwohl sein Körper weiterhin zitterte und sein Fleisch schwach und kalt war. Er war sogar jetzt noch verunsichert, da ihn Fragen und Trauer peinigten, während das Summen in seinem Geist immer lauter wurde, als würde sich eine Töpferscheibe schneller und schneller drehen. Mira hob ihr zerbrochenes Schwert und begann leise etwas zu flüstern. Tahn hatte den Eindruck, dass ihr Körper unwirklicher als sonst aussah, aber das mochte am Nebel liegen.
    … doch der Wille …
    »Willst du der Ungerechtigkeit dienen, Quilleszent? Diejenigen ehren und beschirmen, die Geschöpfe, die ihnen an Ruhm und Möglichkeiten gleichkommen, vor dem Angesicht der Sonne verbergen?« Zephora trat herausfordernd einen Schritt vor. Dabei erzitterte Tahns Körper, und sein Geist füllte sich mit formlosen Ängsten und Zweifeln. »Ich trotze dir! Ich nenne dich unverzeihlich, einen trübsinnigen kleinen Bogenschützen, der ohne seine eigene Kindheit zum Tillinghast gekommen ist! Wenn du höher zielst, dann brandmarke ich dich für alle Brüder aus dem Born als Retter, der zum Verräter geworden ist. Ich rufe den Zahn der Zeit auf dich herab! Durch die Zeitalter eilt die Dunkelheit auf der Suche nach dir heran, Quilleszent. Mit der Macht des Hasses und der Verzweiflung, die in den entlegensten Gegenden des Borns gewachsen sind, wird sie über dich und die deinen herfallen. Genug davon! Ich werde mir meine Belohnung holen!«
    Zephora schoss eine Welle entsetzlicher Dunkelheit aus seinen ausgestreckten Händen. Tahn wurde mit voller Wucht auf den Lehm am Rande der Klippe geschleudert; sein Körper fühlte sich an, als wäre er auf die harten Steine eines winterlichen Flusses gestürzt. Er konnte nichts hören, aber Bilder aus all seinen Träumen und Visionen jagten durch seinen Verstand: brennende Buchseiten, die wie Asche aus der Luft herniederregneten; Ströme von Blut, die aus dem Tabernakel des Himmels hervorflossen; Männer und Frauen, die mit aus dem Hals gerissenen Kehlen strauchelten, als die letzten Töne des Leidenslieds verklangen; der Schleier, der fiel; und ein großer weißer Berg am bitteren Ende all dessen, was Licht ist, der vom Hass vieler Zeitalter dröhnend geschüttelt wurde.
    Als diese schrecklichen Bilder vor seinem inneren Auge vorbeizogen, verzagte seine Seele, und er sehnte sich nach Trost. Aber stattdessen sah er sich selbst in der Dunkelheit vor der Morgendämmerung sitzen und auf das Wunder warten, das nicht eintrat.
    Das war etwas, von dem er wusste, dass er es nicht ertragen konnte.
    Er dachte an Sutters wirres Gestammel in der Wildnis: Der Geist ist nicht ganz, Tahn. Er ist nicht ganz. Er kann geteilt werden. Verschenkt. Genommen. Kleine Stücke können vom Ganzen abgespalten werden …
    Und an das Gefühl in den Augenblicken, in denen er ohne Pfeil geschossen hatte, und daran, was er loszulassen beabsichtigte.
    Tahn spannte seinen Bogen erneut, spannte ihn kräftig und schoss auf die Abscheulichkeit, die aus dem Born entkommen war. Ein unsichtbarer Pfeil flog von der Sehne und traf Zephora in die Brust. Der Dämon jaulte auf, ein Schrei, der einem Chor von Trauernden glich, die den Tod ihrer Lieben beklagten.
    Tahn staunte über das, was geschehen war, aber er wusste, dass er seinen Bogen, eine Waffe von dieser Welt, genutzt hatte, um sein Herz auf einen Gegner abzuschießen – einen kleinen Teil seines Geistes, dem die Makel fremd waren, die ihn hätten verringern können. Die Makel, die in ihrer

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