Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
hinzugefügt«, sagte Shanbe und deutete auf das Porträt. »Hervorragend getroffen, würde ich sagen.«
Belamae schenkte ihm ein leicht verschämtes Lächeln. »Das war nicht mein Einfall«, sagte er, »und die Stelle, an der sie es aufgehängt haben, ist etwas auffällig. Aber es ist mir eine Ehre, zu den Maesteri gerechnet zu werden. Findest du nicht, dass sie meiner Nase ziemlich geschmeichelt haben?« Er lachte warmherzig.
Shanbe fiel mit ein, während Wendra das Gemälde noch einmal in Augenschein nahm. Die Stimme des Ta’Opin lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Belamae.
»Sie komponiert«, sagte Shanbe mit einem seltsamen Unterton, »neue Lieder von einer Art, wie ich sie noch nie gehört habe.« Er zog ein Pergament aus einer Innentasche seiner Kleidung und rollte es auseinander, bevor er es dem alten Mann reichte.
Mit sanftem Lächeln begann Belamae, das Notenblatt zu untersuchen. Wendra erhaschte einen Blick auf die einzigartige Notenschrift und erkannte, dass Shanbe für sich selbst eine Kopie des Duetts angefertigt hatte, das sie vor ein paar Tagen mit ihm gesungen hatte. Leichte Verärgerung mischte sich in ihre Verlegenheit. Was sie spontan aus tiefster Seele gesungen hatte, wurde jetzt niedergeschrieben, kopiert und dem alten Mann zur Bestätigung und Prüfung vorgelegt. Sie kam sich beäugt vor, nackt, und starrte den Ta’Opin böse an, der aber nichts davon bemerkte.
Belamaes Lächeln verblasste, und das Licht in seinen Augen flackerte wie eine Kerzenflamme im Wind. Wenn Wendra es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geglaubt, dass der Mann gerade einen Haftbefehl oder eine Totenklage gelesen hatte. Er hob den Blick von dem Pergament und sah Wendra ernst in die Augen. Sie erwiderte das Starren des alten Mannes, zum Teil, weil seine undurchschaubaren Augen sie bannten, aber auch aus Trotz. Nach einer ganzen Weile trat er ins Zimmer zurück und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
»Bring den Jungen in die Küche und setz ihm etwas vor, das ihm beim Wachsen hilft«, wies Belamae Shanbe an. »Lasst uns für eine Stunde allein, dann kommen wir zu euch.«
In allen Ecken des Raums quollen Pulte und Staffeleien förmlich vor großen Büchern über, auf deren geöffneten Seiten noch mehr von der Notenschrift zu sehen war, wie sie sich auch auf dem Pergament befand, das Shanbe dem Maester gegeben hatte. Neben jedem waren Instrumente sorgfältig auf Ständern abgelegt, die speziell dazu gefertigt waren, sie aufzunehmen. An den Wänden hingen weitere Gemälde, kleinere Porträts und ein paar, die nichts als Landschaften zeigten. In der Mitte des Zimmers stand ein großer Schreibtisch mit jeweils einer Lampe links und rechts, die beide hell brannten. Im ganzen Arbeitszimmer erstrahlte weitaus mehr Licht als auf dem Gang, und die verschiedenen Pulte und Ständer warfen verwaschene Schatten auf den Boden, die Adern unter der Haut glichen. Direkt gegenüber von der ersten Tür lag eine geschlossene zweite. Wendra hatte den Eindruck, dass der Klang des fernen Gesangs dahinter stärker wurde, auch wenn man ihn nur dann gedämpft wahrnehmen konnte, wenn es ansonsten still war. Aber er hörte nie auf.
Belamae setzte sich hinter seinen Schreibtisch und faltete die Hände im Schoß. »Bitte nehmt Platz«, sagte er.
Wendra setzte sich hin und ließ den Blick über die verstreuten Notenblätter, Federkiele und Graphitstifte schweifen. Neben einer Lampe lag ein Metallinstrument, das wie ein kleines Hufeisen aussah, das an einem Griff befestigt war. Als er ihr Interesse bemerkte, hob Belamae es hoch und schlug damit gegen die Tischkante. Die beiden Zinken summten und vibrierten in derselben melodischen Tonhöhe.
»Könnt Ihr den Klang nachahmen?«, fragte Belamae.
Ohne nachzudenken, summte Wendra den nachklingenden Ton.
»Singt eine Harmonie dazu.«
Wendra änderte mehrfach die Tonhöhe, um verschiedene Harmonien zu der klingenden Stimmgabel zu singen. Sie ertappte sich dabei, stolz auf ihre Leistung zu sein, weil die Stimmgabel ihren Ton nicht änderte und Wendra mühelos Zweiklänge finden und singen konnte, die in perfekten Intervallen dazu ertönten.
»Könnt Ihr die unterschiedlichen Harmonien benennen, die Ihr gerade geschaffen habt?«, fragte Belamae und dämpfte das Instrument mit einer Berührung.
Wendra schüttelte den Kopf. »Mein Vater hat mir beigebracht, wie man Harmonien schafft, aber ich kenne ihre Namen nicht.« Sie sah zu Boden und schämte sich, so wenig zu wissen.
Der Lehrer schüttelte
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