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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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egal«, antwortete Onkel Johann. »Aber wenn schon, dann kannst du denen auch noch mitteilen, daß sie sich dir gegenüber anständig zu benehmen haben, sonst kaufe ich die Häuser hier auf und setze sie alle auf die Straße.«
    Johnny Miller sagte dies im Bewußtsein eines Amerikaners, der vom deutschen Mietrecht keine Ahnung hat. Unter einem anderen Eindruck stand Emma Kerbel.
    »Hast du denn soviel Geld?« Sie sah den Onkel mit großen Augen an. »Ich habe mir ja von Anfang an gedacht, daß du reich bist – und das glauben alle hier –, aber daß ein Mensch sich einfach alles kaufen kann, was er haben möchte, das ist unvorstellbar für mich.«
    »Das gibt es, Emma.« Johann ging hinaus in die Diele, wo er seine Koffer abgestellt hatte, und kam mit einer riesigen Schachtel Pralinen zurück. »Hier, zum Naschen für dich.«
    »Danke, Onkel.« Das Mädchen bekam fast nasse Augen. Pralinen waren ihr noch nie geschenkt worden.
    Johann zog seinen Rock aus.
    »Du hast doch sicher auch Wünsche, was?«
    »O ja«, meinte Emma mit einem bitteren Lächeln. »Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich mir einen Pelzmantel kaufen. Nicht aus Eitelkeit, sondern wegen der Wärme. Ich friere sehr leicht, weißt du. Aber noch wichtiger wäre eine neue Küche, und am wichtigsten wären Dinge für meinen Beruf: ein großer Standspiegel für die Kundinnen, ein großes Kleiderregal, eine Kleiderpuppe, neue Bügeleisen, endlich eine elektrische Nähmaschine –« Sie schwieg plötzlich und winkte mit der Hand. »Ach, es fehlt ja alles und man brauchte ein Vermögen für das Nötigste.«
    Die Ankunft des reichen Amerikaners hatte sich schnell im ganzen Viertel herumgesprochen. Die ersten Nachbarn kamen, um den Gast zu bestaunen. Unter dem Vorwand, momentan ein Ei oder eine Zwiebel zu benötigen, drangen sie in die Küche ein, warfen verlegene Blicke auf den dicken, alten Herrn und gingen dann wieder, befriedigt, einen amerikanischen Millionär in Hemdsärmeln gesehen zu haben.
    Gegen Nachmittag erschien der erste Mann, der Morgenluft witterte. Es ist immer so in ausgesprochenen Industriegegenden, daß es dort eine Unmasse verkannter Erfinder gibt, die revolutionäre Verbesserungen an unvollkommenen Maschinen in der Schublade haben. Der Mann, der über Johnny Miller herfiel, hieß Paffke, Peter Paffke. Johnny mußte den Besuch über sich ergehen lassen. Emma Kerbel hatte nicht die Macht, den Mann an der Wohnungstür abzufertigen. Er drängte an ihr vorbei mit der Nonchalance großer Männer, für die kleine Näherinnen kein Hindernis sein können.
    Peter Paffke hatte für jeden das richtige Benehmen auf Lager. Eine Emma Kerbel schob er beiseite, vor einem Mister Miller baute er sich auf, klappte die Hacken zusammen, verbeugte sich schicklich und sagte: »Verehrter Herr, würden Sie mir wohl für ein paar Minuten Ihr Ohr leihen?«
    »Welches?« antwortete Johnny trocken. »Das rechte oder das linke?«
    Diese Antwort brachte Peter Paffke aus dem Konzept. Er starrte verdutzt den dicken Amerikaner an, versuchte ein Grinsen und schüttelte das Haupt. Er ist nicht firm in unserer Sprache, dachte er. Er nimmt das wörtlich. Wie dumm! Ich muß aufpassen.
    »Nehmen Sie das linke«, sagte Johnny. »Das rechte ist etwas schwerhörig.«
    Peter Paffke überhörte dies.
    »Ich komme zu Ihnen mit einer epochalen Erfindung«, sagte er, »einer Erfindung, an der Sie und ich Millionen verdienen können. In langen Nächten habe ich gesessen –«
    Johnny unterbrach ihn: »Ach, Sie waren schon im Gefängnis?« Er lächelte nachsichtig. »Das kann jedem passieren.«
    Peter Paffke begann zu schwitzen. Furchtbar! dachte er. Der Blödmann versteht alles falsch. Was mache ich nur mit ihm? Dieser Idiot! Millionen in der Tasche, aber geistesschwach. Die irdischen Güter sind doch ungerecht verteilt.
    »Sie mißverstehen mich, mein Herr«, sagte Paffke. »Ich habe zu Hause gesessen, lange Nächte, und meine Erfindung ausgeknobelt.«
    »Was haben Sie?« fragte Johnny.
    »Meine Erfindung ausge…« Paffke brach selbst ab, da ihm klar wurde, daß ein Amerikaner diesen Ausdruck unmöglich verstehen konnte. Es fiel ihm aber zum Glück ein brauchbares Wort ein, und er sagte es: »Ausgebrütet.«
    »Aha«, nickte Johnny Miller.
    »Sie müssen zu mir in meine Wohnung kommen, damit Sie sich selbst überzeugen –«
    »Was heißt das? Sie haben Ihren Apparat nicht bei sich?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil das unmöglich ist. Er ist zu groß. Sie werden mir das

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