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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zugeben, wenn ich Ihnen sage, daß es ein neuer Zahnarztstuhl ist, der durch Elektrizität den Schmerz des Patienten, ausgehend vom Zahn, in gleicher Heftigkeit überträgt auf den Fingernagel des bohrenden Zahnarztes. Dadurch ist gewährleistet, daß rücksichtsloses Bohren nicht mehr vorkommen wird. Ein Segen für die zahnkranke Menschheit!«
    »Wahrhaftig!« rief John Miller. »Aber Sie hätten zwanzig Jahre früher zu mir kommen müssen!«
    »Warum?«
    »Weil ich keinen eigenen Zahn mehr besitze, nur Prothesen. Bei mir wird nicht mehr gebohrt. Dadurch habe ich kein Interesse mehr an Ihrer Erfindung.«
    Peter Paffke setzte sich. Die Tragik des Erfinders, der auf einen dummen Geldmann trifft, drückte ihn zu Boden. Er starrte Miller verzweifelt an.
    »Dieser Stuhl ist eine Sensation, mein Herr! Sie können Millionen damit verdienen!«
    »Das will ich ja gar nicht.«
    »Sie wollen keine Millionen verdienen?« Paffke sprang wieder auf. »Das gibt's doch gar nicht! Das ist pervers! Ein Mann, der keine Millionen verdienen will! Auch wenn man, wie Sie, schon Millionen auf dem Konto hat, kann man doch davon nie genug kriegen!«
    »Doch, das kann man – ich jedenfalls!« sagte Miller. »Was ich habe, das reicht für meinen Lebensabend. Noch mehr Geld? Wozu?«
    »Denken Sie an Ihre Familie!« Paffke rang die Hände.
    »Ich bin kinderloser Witwer, und heiraten werde ich nicht mehr. Im übrigen, Herr …«
    »Paffke. Peter Paffke.«
    »… Herr Paffke, ist es mir unmöglich, derzeit geschäftliche Transaktionen durchzuführen.« Er sah zu Boden, als ginge ihm das Kommende nur schwer über die Lippen. »Ich mußte Amerika fluchtartig verlassen. Ich werde gesucht.«
    »Von der Polizei?« Paffke hatte die Augen aufgerissen und war unwillkürlich einen Schritt zurückgewichen. Von amerikanischen Gangstern wußte er aus dem Fernsehen zuviel Gefährliches. Bei denen spielte das Alter keine Rolle. Im Gegenteil, je älter sie waren, desto größer ihr Einfluß bei den Syndikaten.
    »Nein«, beruhigte Miller ihn einigermaßen. »Vom Finanzamt. Und falls Sie das nicht wissen, das heißt bei uns allerhand. Das ist nicht so wie hier. Ist Ihnen der Name Al Capone ein Begriff?«
    Paffke nickte stumm.
    »Einer der größten Gangster aller Zeiten«, fuhr Miller fort. »Ihn hat die Steuer erledigt. Keiner seiner ungezählten Morde konnte ihm nachgewiesen werden, aber als Steuerhinterzieher saß er bis zu seinem Lebensende hinter Gittern. Da kennt man in Amerika keine Gnade.«
    Hier habe ich nichts mehr zu suchen, dachte Paffke. Er gab sein Spiel verloren und verließ nach knappem Gruß die Wohnung. Auf der Treppe hörte er nicht mehr das schallende Gelächter, das Johnny Miller ihm nachsandte. Unten im Hausflur stand einträchtig die Hausgemeinschaft, um den Erfolg des ersten Ansturms zu erfahren. Als sie Peter Paffke mit abgrundtief enttäuschtem Gesicht die Treppe herunterkommen sahen, wußten sie genug.
    »Rausgeflogen?« fragte einer.
    »Nee. Bin selbst gegangen. Der Alte ist erstens ein Idiot, der überhaupt nicht begreift, was ihm gesagt wird – und zweitens eine taube Nuß.«
    »Was heißt taube Nuß?«
    »Von dem ist nichts zu holen, seine Konten sind gesperrt. Er mußte in Amerika Reißaus nehmen.«
    »Wieso?«
    »Er steht auf der Fahndungsliste.«
    »Waaas?« riefen mehrere wie aus einem Munde.
    »Er hat sich im Gespräch mit mir selbst auf eine Stufe mit Al Capone gestellt. Ihr wißt, was das heißt?« sagte in seiner Enttäuschung und Wut Peter Paffke.
    »Das hat er selbst gesagt?« wunderte sich einer.
    »Es ist ihm herausgerutscht.«
    »Na Mahlzeit!«
    Noch eine Stunde tuschelte man im Hausflur und beriet sich, was man tun sollte. Zur Polizei gehen? Nein, auf keinen Fall! Wieder einmal zeigte sich die Wirkung des Fernsehens auf das Volk. Wie ergeht's den Leuten, die sich die Feindschaft der amerikanischen Unterwelt zuziehen? Großer Gott, nur das nicht!
    Durch das ganze Stadtviertel flog die Neuigkeit über John Miller. Entscheidend war für manche das, was Peter Paffke zum Ausdruck gebracht hatte, als er von einer tauben Nuß gesprochen hatte. So begrub denn auch der Schrotthändler, der von einem amerikanischen Kredit für sein Geschäft geträumt hatte, fluchend seine Hoffnung und gebot Gattin und Töchtern, die bei Emma Kerbel schon in Auftrag gegebenen Kleider wieder abzubestellen. Das geschah dann telefonisch und löste bei Emma Entsetzen aus. Sie stotterte: »Aber ich … ich habe die Stoffe doch schon zugeschnitten,

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