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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stilvoller, mich in den Jagdwagen zu verfrachten.«
    »Ich sag's ja, John«, meinte Trenkler seufzend. »Die sind alle nicht ganz dicht.« Zu dieser Vertraulichkeit verleitete ihn das Gespräch mit Miller, das vorausgegangen war. »Sollte es Schwierigkeiten geben«, fügte er hinzu, »können Sie mich immer anrufen, John, egal wie spät es ist. Ich bin es gewöhnt, nachts, wenn eine Kuh kalbt oder etwas Ähnliches passiert, geweckt zu werden.«
    »Sie werden doch nicht noch einmal den Gaul einspannen wollen?«
    »Nein«, erwiderte der Verwalter. »Ich habe selbst auch einen Wagen, allerdings keinen Cadillac.«
    »Dann lassen Sie mich also schlimmstenfalls in die Rolle einer Kuh schlüpfen«, lachte Miller. »Ich hoffe aber, wie gesagt, nicht, daß es soweit kommen wird.«
    Im Eingang zum Herrenhaus stand schon eine Damengestalt in Jägerinnentracht.
    »Ist sie das?« fragte John aus dem Mundwinkel.
    »Ja«, erwiderte Gerhard ebenso leise. »Sehen Sie sich vor, die ist gefährlich.«
    Das sollte freilich nur ein Witz sein. Trenkler fügte sogar noch hinzu: »Frauen in Torschlußpanik sind zu allem fähig.«
    »Ach Gott!« raunte Miller. »Mir wird keine mehr gefährlich.«
    Er kletterte vom Jagdwagen herunter und winkte dem neugewonnenen Freund zu.
    Evy hatte selbstredend nicht das geringste im Sinn mit dem alten Sack, der da auf sie zukam, noch dazu, wo sie von Huldrich wußte, daß auf diesen Mann derzeit keineswegs der Glanz von Millionen fiel. Dennoch spürte Evy sofort irgend etwas Ungewisses, das von dem dicken, alten Kerl ausging. Das war keiner, der sich von den Schwierigkeiten, in denen er angeblich steckte, unterkriegen lassen würde.
    »Mister Miller«, begrüßte sie ihn mit ihrem etwas spröden Charme, »ich freue mich, daß Sie endlich da sind. Hatten Sie im Wald eine Panne?«
    Sie hob ihm ihre Hand entgegen, auf daß er seine Lippen drauf drücken konnte. Das tat er aber nicht, sondern ergriff die Hand, zog sie herunter und schüttelte sie herzhaft.
    »Tag«, sagte er dabei mit breitem Lächeln. »Welche Panne?«
    »In Western sieht man oft«, witzelte sie, »daß eine Radachse bricht.«
    »Davon blieben wir hier inmitten der abendländischen Zivilisation verschont«, grinste Miller. »Wir haben uns nur verplaudert.«
    Evy bat ihn ins Haus, wobei sie dachte, er hält es nicht für nötig, sich zu entschuldigen. Amerikanischer Flegel!
    Ein Diener nahm ihm im Flur das Gewehr ab, und Evy führte ihn in den Salon, wo sie schon einen Drink für ihn vorbereitet hatte. Rasch kamen die beiden in ein Gespräch, in dem die üblichen Belanglosigkeiten ausgetauscht wurden: über das Wetter und wie Millers Reise gewesen sei. Welchen Eindruck Europa auf ihn mache? Ob umgekehrt Evy schon einmal Amerika gesehen habe?
    »Europa«, sagte Miller in unverkennbarer Ironie, »ist mir ja schon von früher her nicht ganz fremd.«
    »Wie lange ist es her, daß Sie ausgewandert sind?«
    »Zweiunddreißig Jahre.«
    »Aber Sie waren in der Zwischenzeit sicher schon wieder ein paarmal hier?«
    »Nein.«
    »Das gibt's doch nicht!« meinte Evy überrascht.
    »Warum nicht?« fragte Miller grinsend.
    »Weil alle Deutschamerikaner immer wieder dem Drang erliegen, ihre alte Heimat zu besuchen«, antwortete Evy, setzte jedoch rasch hinzu: »Unter einer Voraussetzung natürlich …«
    »Unter welcher?«
    »Daß sie sich das leisten können.«
    »Sehen Sie«, grinste Miller. »Das ist es!«
    »Aber heutzutage, Mister Miller –«
    »Sagen Sie John zu mir«, unterbrach er vergnügt.
    Wie kommt der mir vor? dachte sie indigniert, meinte jedoch: »Gerne. Und ich heiße Evy.«
    »Kriege ich noch einen Schluck, Evy?«
    Der macht mir Spaß, dachte sie, während sie erwiderte: »Sicher – wenn Sie nicht fürchten, daß Ihre Treffsicherheit darunter leidet?«
    »Keine Sorge«, sagte er daraufhin nur, unentwegt grinsend.
    Das wiederholte sich noch einige Male, und da auch die Baroneß mittrank, von John Miller mehr oder minder dazu genötigt, alberten die beiden bald herum, lachten und liefen Gefahr, die Etikette in einem adeligen Haus ein bißchen außer acht zu lassen.
    Da fragte Miller die Baroneß geradeheraus: »Warum sind Sie eigentlich noch nicht verheiratet – bei Ihrem Aussehen? Oder waren Sie es schon und haben die hübsche Nase voll von der Ehe?«
    »Nein, war ich noch nicht. Warum fragen Sie mich das? Doch nicht, weil Sie mir einen Antrag machen wollen?«
    Beide lachten.
    »Nein«, sagte John. »Aber ich wüßte Ihnen einen geeigneten

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