Das Gift der alten Heimat
»Das hat der Baron auch erwartet.« Er warf einen Seitenblick auf Miller. »Aber mir scheint, daß er sich da in die Finger geschnitten hat.«
Johnny erwiderte den Blick.
»Das habe ich ihm auch gesagt, Gerhard.«
»Dann gibt's nur noch eins …«
»Was denn?«
»Nehmen Sie ihn mit nach Amerika und verhelfen Sie ihm drüben zu einem neuen Start, wenn Ihnen das möglich ist.«
»Und das Gut hier?«
»Das kommt unter den Hammer.«
»Sie sagen doch selbst, daß das ewig schade wäre?«
»Sicher wäre es das, aber …« Trenkler verstummte achselzuckend.
»Und was wird mit Ihnen?« fragte Miller.
»Mit mir?« Der Verwalter winkte mit der Hand. »Einen neuen Job finde ich keinen mehr in meinem Alter. Doch ich habe mir ein bißchen was zusammengespart. Das muß reichen, bis ich die Rente kriege.«
»Aber lieber wäre es Ihnen, wenn Sie noch weitermachen könnten?«
»Natürlich.«
Miller sah den Mann an seiner Seite kritisch an.
»Würden Sie sich zutrauen, Waldfels zu erhalten – nicht nur zu erhalten, sondern es zu neuem Glanz zu führen?«
Kurz leuchteten Trenklers Augen auf.
»Wenn der Druck der Schulden weg wäre, bräuchte ich nur zwei Jahre, um aus dem Gröbsten heraus zu sein. Und dann …« Er schnalzte mit den Fingern. »Dann ging's erst richtig los! Voraussetzung wäre natürlich, daß ich keinen Baron Huldrich v. Chowelitz mehr im Nacken hätte.«
Schon erlosch jedoch seine Begeisterung wieder.
»Aber was soll das, John? Warum fragen Sie mich solche Sachen? Wir beide können uns doch die Hand reichen. Sie haben nicht das Geld, das nötig wäre, und ich nicht das Recht zu träumen.«
Miller schwieg von nun an. Er starrte in den dunklen Wald und rechnete. In Amerika florierte seine Ladenkette von der Ost- bis zur Westküste. Dazu kamen noch die Aktien bei General Motors und einer großen Reederei, die Anteile an Kohlengruben und zahlreiche Häuser in Chicago. Was mache ich dazu noch mit einem Gut in Germany? dachte er. Nein, es wird doch besser sein, den Dingen hier ihren Lauf zu lassen und dem Taugenichts, der sich seinen Ruin selber zuzuschreiben hat, anzubieten, daß er mit nach Amerika kommen kann, sich aber ja nicht einbilden soll, dort nicht arbeiten zu müssen wie ein Irrer.
Miller spann diesen Gedanken nicht weiter, denn es war höchste Zeit, endlich in Eibenhain aufzukreuzen. Die Baroneß würde sicher schon lange warten und sich fragen, wo denn der Wagen von Gut Waldfels abgeblieben sein könne.
Sie war ein schönes Mädchen von achtundzwanzig Jahren. Groß, schlank, blond, reich – und sogar auch intelligent. Alles in allem eine Bombenpartie!
Und trotzdem mit achtundzwanzig Jahren noch unverheiratet?
Man mußte sich wirklich fragen, wieso. Woran lag das?
Die Antwort lautete: An ihr selbst! Evy v. Eibenhain konnte sich nicht entscheiden. Schon etliche Männer der besten Gesellschaft hatten sich um sie beworben und waren nicht zum Ziel gekommen. Dreimal hatte es schon ganz fest so ausgesehen, als ob die Brautjungfern sich zu rüsten hätten, doch dann mußten sie ihre weißen Kleider, die sie sich bereits hatten anfertigen lassen, unbenutzt wieder in den Schrank hängen. Die zeitweiligen Favoriten Evys hatten natürlich alle gut ausgesehen. An ihrem Äußeren lag es also nicht, wenn sie letzten Endes doch abgewiesen wurden. Auch nicht an ihrem Inneren lag das. Der Charakter wog für Evy weniger als das Bankkonto. Ja, das war der Punkt! Die Baronin v. Eibenhain betete den Gott Mammon an. Und wenn immer bisher ein begüterter Bewerber bei ihr das Rennen gemacht zu haben schien, war ihr Blick auf einen noch Reicheren gefallen. Bei diesem Turnus wurde sie nicht jünger, dessen war sie sich durchaus bewußt. Inzwischen hatte sie, wie gesagt, auch schon das achtundzwanzigste Lebensjahr erreicht, und die ersten Krähenfüßchen verunzierten ihr ebenmäßiges Gesicht, dem sie eine mit jedem Morgen länger und sorgfältiger werdende Pflege angedeihen ließ, ohne das Wissen abschütteln zu können, daß auch von ihr auf die Dauer dieser Kampf gegen den Zahn der Zeit nicht zu gewinnen sein würde.
Ehe John Miller im Hof von Eibenhain aus dem Jagdwagen stieg, fragte ihn Gerhard Trenkler: »Wie werden Sie nach Waldfels zurückkommen, John?«
»Ich hoffe, die Lösung dieses Problems wird sich meine Gastgeberin angelegen sein lassen«, grinste Miller.
»Es wäre besser gewesen, wenn Sie mit Ihrem Auto hierhergekommen wären.«
»Das dachte ich ursprünglich auch, aber mein Neffe fand es
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