Das Gift der alten Heimat
hielt Wort. Es war alles vorbereitet, als John Miller wieder sein Zimmer betrat, und so waren im Nu alle Formalitäten erledigt. Den Riesenscheck gab Miller weg wie einen Zettel ohne besonderen Wert.
»Mister Vancouver«, ließ Dr. Bitz grinsend wissen, »hat sich über meinen Anruf gefreut, Mister Miller. Er betrachte ihn als Lebenszeichen von Ihnen, sagte er und bat mich, ihnen viele Grüße von ihm zu übermitteln.«
»Den Teufel hat er sich gefreut!« knurrte Miller. »Er haßt mich!«
»Sie sind auch sein Aufsichtsratsvorsitzender«, meinte Bitz. »Das hatten Sie mir nicht gesagt.«
»Ich hatte Ihnen auch nicht gesagt, daß ich im Mai geboren bin. Wenn es mir notwendig erschienen wäre, hätte ich Ihnen beides mitgeteilt.«
Direktor Bitz lachte pflichtschuldigst und erlaubte sich erst, als Miller gegangen war, ihm ein böses »Arschloch!« nachzusenden.
Draußen auf der Straße traf Miller wieder mit Trenkler zusammen, dem der Aufruhr in seinem Inneren über die jüngste Entwicklung nicht erlaubt hatte, sich drinnen in der Bank still auf einen Stuhl zu setzen und auf Miller zu warten, sondern der sich Bewegung hatte verschaffen müssen. So war er denn auf dem Bürgersteig hin und her gelaufen, immer wieder Blicke zum Eingang der Bank werfend und bangend, daß alles noch einmal rückgängig gemacht werden könnte. Eine Ewigkeit schien ihm vergangen zu sein, als Miller endlich kam. Miller lächelte ihm schon von weitem zu, damit war alles klar. Ein Stein plumpste Trenkler vom Herzen.
Als die beiden über den Stadtplatz gingen, war John Miller aus Chicago praktisch schon der neue Herrscher auf Gut Waldfels. Aber nicht allein das machte ihn froh, sondern Genugtuung verschaffte ihm auch all das, was noch in der Zukunft lag, all das, was sich nun bald ereignen würde zum Segen des Gutes und des ganzen Gesindes, das sich nun wieder im Besitz eines sicheren Arbeitsplatzes wähnen durfte.
Um die Mittagsstunde rollte der Cadillac zurück nach Waldfels und näherte sich dem Gut im gleichen Augenblick, in dem der junge Baron mißmutig aus dem Wald getrabt kam. Huldrich zügelte sofort sein Pferd und sprang ab. Das deutete auf Nervosität hin. Zum Herrenhaus waren es nämlich noch ein paar hundert Meter. Auch Miller hatte gestoppt und das Wagenfenster heruntergedreht.
»Da seid ihr ja«, sagte Huldrich. »Ich habe dich gesucht, Onkel.«
Er konnte nicht ahnen, wie entscheidend sich die Lage geändert hatte.
»Wir waren in der Stadt«, erwiderte Miller. Mit einem Nicken zu dem neben ihm sitzenden Verwalter hin, fügte er hinzu: »Ich brauchte jemanden, der mir den Weg zeigte.«
»Die Baroneß v. Eibenhain hat am Telefon schon wieder nach dir gefragt.« Huldrich ließ sein Pferd einfach laufen, da zu erwarten war, daß das Tier, wie alle Pferde, von allein zu seinem Stall fand. Er bückte sich, um in den Wagen zu blicken. »Habt ihr eingekauft?«
»Ja«, entgegnete Miller.
»Ich sehe aber nichts.«
»Das wirst du noch früh genug sehen«, sagte Miller zweideutig. »Ich wundere mich, daß du schon auf den Beinen bist.«
»Wieso? Es ist Mittag.«
»Gerhard« – abermals nickte dabei Miller hin zu Trenkler – »hat mir erzählt, daß er heute nacht noch lange bei dir Licht brennen sah.«
Mit einem Gesicht, in dem sich nicht die geringsten Anzeichen einer Erinnerung an das zeigten, was sich zugetragen hatte, erwiderte der Baron: »Dann werde ich wohl vergessen haben, es auszumachen, ehe ich einschlief. Ich lese noch gern im Bett, weißt du.«
»Aha.«
»Ich bin völlig fit«, log Huldrich, der einen Kater hatte, daß ihm schier der Kopf zerspringen wollte. »Soll ich dir sagen, was ich mit dir heute sogar schon vorhatte?«
»Was denn?«
»Ich wollte dir die erste Reitlektion auf deinem Schimmel erteilen.«
Johann Müller blickte seinen Verwandten zweifelnd an.
»Ist das wahr?«
»Frag den Schimmel«, grinste Huldrich. »Er steht gesattelt in seiner Box.«
Auf der einen Seite dies, dachte Onkel Johann, auf der anderen Seite will er sich erschießen. Aber sein Geschenk für mich – mit allem Drum und Dran – vergißt er nicht. Die zwei Gesichter des Barons Huldrich v. Chowelitz …
»Komm, mein Junge, steig ein«, sagte Miller. »Mir knurrt der Magen. Hoffentlich gibt's was Gutes zu essen.«
Huldrich schob sich auf den Hintersitz und ließ sich das kurze Stück zum Gut fahren.
Schon am Nachmittag setzten die Umwälzungen auf Gut Waldfels ein. Wenn ein John Miller einmal etwas in die Hand genommen
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