Das Gift der alten Heimat
Einverstanden?«
»Gut.«
Miller las den im Vorzimmer auf ihn wartenden Verwalter Trenkler auf und setzte sich mit ihm ins nächste Café, das sie fanden. Der Zeitpunkt, an dem er die Karten auf den Tisch legen mußte, war gekommen.
»Hören Sie, Gerhard«, begann er, »das klappt alles –«
»Was klappt?« unterbrach der Verwalter, dem ja bis zu diesem Moment noch nichts Konkretes gesagt worden war. Geahnt hatte er allerdings schon etwas, und er war in diesem Sinne auch schon tätig geworden. Davon wußte aber wiederum Miller noch nichts.
»Ich rette Waldfels«, sagte John.
Trenkler nickte.
»Gut, daß Sie das können.«
»Sie scheinen gar nicht überrascht zu sein?«
»Nein, seit heute nacht nicht mehr.«
»Was glauben Sie, was mich das kostet!«
»Ich weiß, was Sie das kostet, John.«
»Und das nötige Geld dazu habe ich, meinen Sie?«
»Ja, seit heute nacht meine ich das.«
»Wieso immer seit heute nacht?«
»Weil Sie mir gesagt hatten, daß ich Sie zur Niederdeutschen Bank bringen muß, wo die Hauptschulden liegen. Im ersten Moment dachte ich mir zwar nichts und schlief wieder ein, aber nicht lange, dann wurde ich wieder wach, denn das arbeitete in mir. Was will er dort? fragte ich mich. Er ist doch kein Hampelmann, der unsinnige Fahrten unternimmt? Und eine solche Fahrt kann nur« – Trenkler hob seine Stimme, um ihr Nachdruck zu verleihen – »einen Sinn haben, dachte ich, wenn er kein Hampelmann ist. Wie ich nun sehe, sind Sie keiner, John.«
Miller lachte kurz.
»Da bin ich aber froh, daß ich einer solchen Verurteilung durch Sie entgangen bin, Gerhard.«
»Sie nehmen mir das doch nicht übel, wenn ich so mit Ihnen spreche, John?«
»Nicht im geringsten!« versicherte Miller. »Diese Art mögen wir Amerikaner.«
Er bezeichnet sich als Amerikaner, dachte Trenkler. Er empfindet sich auch als Amerikaner – ganz bestimmt, wenn er in eine Bank hineingeht oder aus ihr herauskommt!
»Wie lange kennen Sie den Dr. Bitz schon, zu dem Sie mich gebracht haben?« fragte Miller.
»Seit Jahren«, erwiderte Trenkler. »Sehr oft mußte ich ja schon mit ihm verhandeln, wenn das auch nicht meine Sache, sondern die des Barons gewesen wäre. Man lag ihm ja immer nur mit seinen Schulden in den Ohren, und das mochte er nicht gerne.«
»Das kann ich mir denken«, meinte Miller, zündete sich eine Zigarre an und fuhr dann nachdenklich fort: »Wissen Sie, worüber ich mich gewundert habe?«
»Worüber?«
»Über die lasche Art des Direktors mit dem Bankgeheimnis umzugehen. In Amerika wäre mir keinesfalls so ohne weiteres Einblick in die Schulden eines anderen – auch nicht in die eines Verwandten – gegeben worden.«
»Hier auch nicht«, sagte der Verwalter trocken.
Miller blickte ihn fragend an.
»Ich verstehe nicht …«
»Das war auf mich zurückzuführen, John. Ich bin doch erst zu ihm reingegangen, um Sie anzukündigen. Ich sehe noch Ihr Gesicht, Sie waren darüber verwundert – dachten aber dann wohl, das sei hier so üblich? Das ist es aber nicht, John, doch ich hatte meinen Grund …«
»Welchen?«
»Ich brachte ihm die Vollmacht, die ich mir besorgt hatte. Eine Vollmacht vom Baron, wonach Sie berechtigt sind, Einblick in seine Schulden zu nehmen.«
»Was?« stieß Miller hervor.
»Anders wär' das doch nicht gegangen, John.«
»Davon weiß ich ja gar nichts!«
»Doch, jetzt wissen Sie's«, sagte Trenkler grinsend.
»Wann hat er Ihnen die gegeben?«
»Heute nacht.« Trenkler räuspert sich. »Gegeben ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck.«
»So?«
»Ich habe sie ihm, ehrlich gesagt, abgeluchst.«
Millers Erstaunen wuchs und wuchs.
»Abgeluchst? Wie denn?«
Ohne Zögern berichtete der Verwalter: »Ich sagte Ihnen doch, daß ich noch einmal wach geworden bin und mir meine Gedanken über Ihre Fahrt zur Niederdeutschen Bank gemacht habe. Dabei blickte ich aus dem Fenster und sah, daß der Baron noch Licht brennen hatte. Ich konnte mir aufgrund meiner Erfahrung mit ihm denken, was das wieder bedeutete. Meine Hoffnung trog nicht, er war, als ich dann zu ihm rüberging, betrunken, und zwar so betrunken, daß er überhaupt nichts mehr unterscheiden konnte. Die Unterschrift, die ich von ihm brauchte, bekam ich daher ohne weiteres. Er ist es ja schon im nüchternen Zustand gewöhnt, mir unbesehen fast alles zu unterschreiben. Ich mußte ihm dann noch vor der leeren Flasche Gesellschaft leisten, bis er im Sitzen einschlief. Er lallte, daß er, auch von der Frau seiner Liebe
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