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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frankfurt direkt nach New York flogen. John Miller hatte die beiden praktisch nicht mehr zur Besinnung kommen lassen. Alles war, von ihm angetrieben, in echt amerikanischem Tempo abgelaufen, so daß Evy erst, als sie schon hoch über dem Atlantik schwebte, zu der Erkenntnis kam, daß sie vergessen hatte, mit dem Verwalter Trenkler einen schriftlichen Vertrag über seine Tätigkeit auf Gut Eibenhain abzuschließen. Der Wirbel war zu groß gewesen. Sie seufzte leise, den Kopf an Huldrichs Schulter gelehnt, der ein Nickerchen machte. John Miller, dachte sie, wird schon alles regeln, dann schlief auch sie ein.
    John weilte noch auf Waldfels. Er hatte die beiden vorausgeschickt nach Chicago und ihnen telefonisch für die ersten Tage das Feld vorbereitet. Sie sollten sich die Stadt und ihre Umgebung ansehen, bis er nachkommen würde. Er selbst mußte noch den letzten Teil seines Programms, das ihn nach Europa geführt hatte, erledigen: den Besuch bei seinem Bruder Josef in Köln.
    Im Haus des Metzgermeisters Josef Müller zu Köln schlugen die Wogen hoch, als der langerwartete Bruder Johann eingetroffen war. Josef fuhr auf, was das Geschäft bieten konnte, vergaß aber nicht, seinen Gast auch unter Alkohol zu setzen und ihn nicht nur mit Fleisch und Wurst vollzustopfen. Selbst saß er natürlich auch nicht dabei, um den Asketen zu spielen, sondern um wacker mitzuhalten. Die ersten Stunden des Wiedersehens nahmen daher – abgesehen davon, daß sie wie im Flug vergingen – einen äußerst angenehmen Verlauf in bester rheinischer Harmonie. Die beiderseitige Freude war groß, und Johnny Miller kam gar nicht dazu, seinen Bruder nach dem Gang der Geschäfte zu fragen. Es war aber zu sehen, daß die Metzgerei Josef Müller zu tun hatte und den Kundenstrom aus dem Viertel kaum bewältigen konnte. Heute lastete noch dazu alles auf den Schultern von Lenchen Müller, Josefs Frau, die mit ihren Gehilfinnen allein zurechtkommen mußte. Der Gatte war unabkömmlich. Lenchen hatte ihm eingetrichtert, mit seinem amerikanischen Bruder aus Verständigungsgründen unter allen Umständen Schriftdeutsch zu sprechen und nicht sein ständiges grauenvolles ›Kölsch‹ von sich zu geben.
    »Wieso dat dann?« hatte Josef, genannt Jupp, sie gefragt.
    »Das ist doch klar«, hatte sie geantwortet. »Zweiunddreißig Jahre lang hat der nur noch amerikanisch gesprochen und, wenn's hoch kam, mal eine deutsche Zeitung, die er erwischt hat, gelesen. Das Resultat kannst du dir denken. Ich bin nun eine Ewigkeit mit dir verheiratet, Jupp, und kommt es nicht trotzdem immer noch oft genug vor, daß du etwas sagst und ich dich dreimal danach fragen muß, bis ich verstehe, was du meinst. Erst gestern wieder –«
    Kundschaft war in den Laden gekommen, Lenchen hatte abbrechen müssen.
    Jedenfalls nahm sich aber Jupp ihre Epistel so zu Herzen, daß er bemüht war, im Gespräch mit John seinen Dialekt zu unterdrücken, den er sich in den Jahrzehnten seiner Ansässigkeit in Köln angeeignet hatte.
    Zwischen einer Flasche Moselwein und einer von der Nahe teilte er John beziehungsweise Johann mit, daß man hier in Köln auf der Suche nach ihm gewesen sei.
    »Nach mir?« fragte Johann.
    »Ja.«
    »Wer denn?«
    »Dein Vetter Paul aus Rheinstadt mit seiner Frau Erna und deine Kusine Emma aus Bochum«, lachte Jupp. »Sie haben mir alles erzählt und wollen unbedingt noch einmal ihren Wohltäter sehen. Ich soll sie verständigen, wenn du hier bist, dann kommen sie her. Ich habe ihnen das zugesagt. Du hast doch nichts dagegen?«
    »Was wollen sie denn?«
    »Ich sage dir ja – ihren Wohltäter noch einmal sehen, ihm danken, aber auch mit ihm über vieles reden, was ihnen über den Kopf wächst, ihre Neubauten, Geschäftserweiterung usw. Sie wollen deinen Rat einholen. Ich verstehe das.«
    Johann schüttelte mit dem Kopf.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Die müssen sich selber durchbeißen. Wär' ja gelacht, wenn sie das nicht schaffen würden. Je eher, desto besser. Es wäre grundfalsch, sie daran zu gewöhnen, daß sie bei jeder Schwierigkeit Ausschau nach einem halten, der sie am Händchen nimmt und sie führt. Nein, nein, das mache ich nicht!«
    »Der Paul schafft das auch, daran zweifle ich nicht«, meinte Jupp. »Aber die gute Emma …« Er verstummte.
    »Die?!« Johann schnalzte mit den Fingern. »Die am ehesten! Ich habe sie mir genau angesehen! Ihr werdet euch alle wundern über die! Ganz Bochum wird sich über die wundern!«
    »Das glaubt die aber heute selbst

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