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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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noch nicht von sich.«
    »Frag sie mal nach einem halben Jahr.«
    »Gönnen würde ich es ihr weiß Gott!« meinte Jupp, der ein ehrlicher, gerader Kerl war. Ihm nahm man so etwas ab, wenn er es sagte.
    Lenchen kam rasch ins Zimmer und fragte, ob die Herren mit allem zufrieden seien. Mit der Temperatur des Weines kenne sie sich nicht so aus; um die müßten die Herren sich selber kümmern. Dann war sie auch schon wieder verschwunden. Das Geschäft im Laden blühte.
    »Du könntest dich vergrößern«, sagte Johann zu Josef.
    Lachend schüttelte Josef den Kopf.
    »Wozu? Mir reicht das, was ich habe.«
    Johann glaubte nicht recht gehört zu haben. Er stand vor einem ganz neuen Erlebnis, einem Erlebnis, das für ihn wahrhaftig einmalig war.
    »Fehlt dir das Geld?« fragte er.
    »Nein«, erwiderte Josef. »Ich habe ganz schön was auf der hohen Kante, und es kommt laufend noch was hinzu. Der Laden bringt das.« Er trank einen Schluck. »Vergrößern könnte ich mich ohne weiteres.«
    »Und warum tust du's nicht?«
    »Ich sage dir doch: wozu? Kinder haben wir keine …«
    »Das ist unnatürlich, was du mir da erzählst«, meinte Johann überzeugt. »Ich glaube dir das auch nicht. Du mußt andere Gründe haben! Expansion ist in der Wirtschaft eine Notwendigkeit, ein Gesetz!«
    »Nicht für mich, Johann.«
    »Ach was!« widersprach Miller. »Was würdest du zum Beispiel tun, wenn du im Lotto eine halbe Million gewinnen würdest? Sie doch ins Geschäft stecken – oder nicht?«
    »Ich spiele nicht im Lotto.«
    »Gut, dann von irgendeiner anderen Seite?«
    »Etwa von dir?« fragte Jupp grinsend.
    Jetzt habe ich ihn, jetzt wird er normal, dachte Johann und sagte: »Ja.«
    »Ich würde die Million nehmen, Johann.«
    Siehste, dachte Miller.
    »Na also«, sagte er.
    »Aber ich würde sie nicht ins Geschäft stecken.«
    »Wohin dann?«
    »Sie käme auf mein Konto.«
    »Für deine Erben?«
    »Ja.«
    »Ich denke, ihr habt keine Kinder?«
    »Es gibt auch andere Erben.«
    »Zum Beispiel?«
    »Der Alpenverein, Altenheime …«
    John Miller starrte seinen Bruder an. Aus der Art geschlagen, dachte er, noch schlimmer: pervers! Rackert sich mit seiner Frau in einem Laden ab, in dem er sich für meine Begriffe kaum umdrehen kann, hebt jedoch sein Geld auf für den Alpenverein auf. Das ist nichts anderes als pervers!
    Es kam aber noch schlimmer für den konsternierten John Miller aus Chicago.
    »Weißt du«, sagte sein Bruder Jupp aus Köln zu ihm, »ich finde das prima, was du mit unseren Verwandten in Rheinstadt und in Bochum gemacht hast, aber mir würdest du damit gar keinen besonderen Gefallen erweisen, das sage ich dir ganz ehrlich. Ich sehe zwar die Großen in der Wirtschaft, ich weiß auch, daß es sie geben muß, doch für mich wäre das nichts. Ich würde mir niemals Fabriken ans Bein hängen, oder Handelshäuser, und mich von ihnen auffressen lassen. Nee, nee! Mir ist schon mein Betrieb mit zwei Gesellen manchmal zu groß und mit zuviel Ärger verbunden.« Jupp hob den Zeigefinger. »Und noch etwas, Johann …«
    »Noch etwas?« fragte Miller ironisch, und was er dann zu hören bekam, war der Gipfel von allem.
    »In unserer Straße hier«, fuhr Jupp fort, »sitzt ein zweiter Metzger mit einem Gesellen. Die Straße ist lang, deshalb verträgt sie das. Der Voncampe Karl – so heißt er – ist ein netter Kerl. Wir verstehen uns gut und haben uns aufeinander abgestimmt. Er muß darüber froh sein, weil ihn seit Jahren das Pech verfolgt mit seiner Frau, die es in den Beinen hat und deshalb als Hilfe im Laden für ihn ausfällt. Wenn ich also geschäftlich zulegen würde, wäre die Folge für ihn, daß er zwangsläufig zurückfallen müßte. Wahrscheinlich müßte er sogar ganz aufhören. Und das möchte ich auf gar keinen Fall. Was sollte er dann mit seiner kranken Frau anfangen? Außerdem weiß ich, daß er umgekehrt mir auch keine Schwierigkeiten machen würde.«
    John Miller starrte seinen Bruder an. ›Pervers‹ ist noch gar kein Ausdruck für den, dachte er.
    »Was guckst du so?« fragte Jupp ihn.
    »Ich frage mich«, erwiderte John, »was geschehen würde, wenn ein dritter Metzger in eure Straße käme und nicht so dächte wie du.«
    Jupp Müller zuckte mit den Achseln.
    »Das wäre schlecht für den Voncampe Karl«, meinte er.
    »Für den Müller Jupp auch«, sagte John.
    Jupp wollte sich aber die Stimmung nicht verderben lassen, heute schon gar nicht. Eine Probe des vielzitierten rheinischen Leichtsinns ablegend, hob er sein

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