Das Gift der Drachen Drachen3
das er vorsichtig in eine andere Röhre füllte. Dann notierte er fleißig irgendwelche Ergebnisse in seinem Folianten. Das Kratzen der Schreibfeder und das Kauen des Drachen vermischte sich mit Jotans weinerlichem und ekstatischem Geplapper.
»Jetzt bist du dran«, sagte Sak Chidil und sah zu mir hin. Ich stand immer noch an der Tür, zitternd, erregt und entsetzt.
Würde ich es tun?
Großer Drache, wie gern ich das Lied der Drachen hören wollte. Mit jeder Faser meines Körpers sehnte ich mich danach.
Ich trat auf ihn zu.
Blieb stehen.
»Nein«, sagte ich heiser.
»Sicher nicht?«
Ich schwankte … Es kostete mich ungeheure Mühe, zu nicken.
»Zu schade. Frische Probanden liefern immer neue interessante Informationen. Warum willst du nicht?«
»Ich …« Mir fiel keine Antwort ein.
Er zuckte etwas verärgert und vielleicht auch enttäuscht mit den Schultern, aber er war nicht wütend. »Dann war das für dich nur Zeitverschwendung, herzukommen, richtig? Hier, trag das für mich. Sie braucht noch ein bisschen, bis sie sich erholt hat.«
Ich trug seinen Folianten und das Schreibzeug zurück ins Laboratorium. Hinter uns im Stall wand sich Jotan weiter ekstatisch auf dem Boden.
»Gute Proben«, murmelte Sak Chidil zufrieden, als er vorsichtig die Röhren mit Jotans Blut und sonstige Körperflüssigkeiten in ein Gestell auf dem Tisch schob. »Die Proben der Huren sind verunreinigt durch ihre Krankheiten. Jotan dagegen ist ein hervorragender Symbiont.«
»Ein Symbiont?«, hauchte ich. Ich fühlte mich schwach und setzte mich auf einen Stuhl, am ganzen Körper in Schweiß gebadet.
Sak Chidil sah mich mit seinen wässrigen Augen an. Er selbst konnte höchstens ein-oder zweimal Gift genommen haben. Die Lederhaut seiner Augen war hell und rein wie gekochtes Eiweiß.
»Ein Symbiont, ja. Ein Organismus, der in enger körperlicher Verbindung mit einem anderen lebt, hm? Hier, roll die zwischen deinen Handflächen. Das Blut soll noch nicht gerinnen.« Er reichte mir zwei verkorkte Phiolen mit Blut. Ich gehorchte, benommen und überwältigt. Die Wärme des Blutes konnte ich durch das Glas in meinen Hände spüren. Ich hielt ein kleines Stück von Jotan zwischen meinen Handflächen.
»Eine symbiotische Beziehung ist gewöhnlich für beide beteiligten Spezies von Vorteil«, fuhr er fort. »Nimm zum Beispiel den Gillivogel und die Buckelechse. Oder den Schildfisch und den Hai. Genauso funktioniert es auch bei Mensch und Drache.«
Er legte die restlichen Röhren mit Blut in ein kleines rundes Gefäß, klappte dessen Deckel zu und begann mit einem Fuß ein Pedal zu bedienen. Das Gefäß drehte sich um sich selbst, schneller als eine Töpferscheibe. Der Geruch des Mannes nach ungewaschenem Haar, schmutziger Kleidung und Schwefel waberte durch die Luft.
»Betrachten wir den Gillivogel und die Buckelechse. Die Echse kann nicht gut sehen, bewegt sich nur langsam und ernährt sich von Tausendfüßlern und Termiten. Sie scheidet über die Haut Gift aus und gräbt sich zum Schlafen Erdlöcher. Sie braucht Wärme, um zu überleben. Der Gillivogel nistet in den Erdlöchern der Echse, und das Gift der Echse hält alle Eierräuber von dem Nest fern. Dafür hält der Gillivogel die Echse in der kühlen Regenzeit warm, und seine ausgezeichnete Sehkraft und sein Pfeifen alarmieren die Echse, wenn Gefahr droht. Als Körnerfresser ist der Vogel außerdem für die Echse kein Nahrungskonkurrent, und er ist gegen ihr Gift immun. Es mag ab und zu vorkommen, dass eine Echse das ein oder andere Ei eines Gillivogels zerdrückt, ebenso wie der Gillivogel gelegentlich mit seinem Lärm unabsichtlich einen Mungo zum Bau der Echse lockt, der die Echse frisst. Aber meistens ist ihre Symbiose einfach ideal.«
Sak Chidil hörte auf, das Pedal zu treten. Das Gefäß kam langsam zur Ruhe. Dann öffnete er den Deckel und nahm die beiden Glasröhren mit dem Blut heraus. Der Schleuderprozess hatte klares Serum von dem dicken roten Blut abgesondert.
»Doch welchen Nutzen bringt es einem Drachen, so frage ich mich, mit einer Frau zu verkehren, hm? Also habe ich nach Antworten gesucht. Es ist leicht zu verstehen, warum eine Frau in diese Art von Beziehung gelockt wird. Sie wird sexuell befriedigt und erlebt Machtgefühle durch das Gift des Drachen. Natürlich riskiert sie Verbrennungen, Schwellungen, Blutvergiftung, Hautabschürfungen, Infektionen, unregelmäßigen Herzschlag, gesenkten Blutdruck und möglicherweise auch den Tod, wenn sie nicht
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