Das Gift der Drachen Drachen3
allmählich an das Gift gewöhnt wurde. Aber dafür ist es verdünnt ein ausgezeichnetes Halluzinogen und Betäubungsmittel, und man kann damit eine Frau an unverdünntes Drachengift gewöhnen.«
Er schlang sich ein merkwürdiges Lederband um den Kopf, in das er über seinem Auge eine Glaslinse in einen runden, fensterartigen, in das Leder eingenähten Rahmen schob. Vorsichtig senkte er die dicke Linse über sein Auge, das dadurch mehrfach vergrößert wurde. Ich starrte ihn an.
»Roll diese Phiolen weiter zwischen den Händen. Ja, genau so.« Er goss behutsam etwas von dem Serum auf eine kleine Glasscheibe und verteilte es dünn auf der Oberfläche. »Gut. So. Sagen wir, eine Frau wird in eine Beziehung zu einem Drachen gelockt, obwohl sie nur wenig davon hat und das Risiko sehr hoch ist. Es ist keine vorteilhafte Beziehung für den Menschen, aber sie ist höchst verlockend. Vielleicht ist also der Drache ein Parasit, ja? Aber warum? Welchen Vorteil zieht ein Drache aus all dem?«
Er bückte sich und untersuchte mit seiner Lupe die Probe auf dem Glas. »Betrachten wir jetzt diese Halluzinationen etwas genauer, welche die Frau unter dem Einfluss des Giftes erlebt. Sie ist erfüllt von Mitgefühl mit dem Drachen. Sie erlebt sich als Jungdrache, der von Männern gejagt wird. Sie durchlebt mütterliche Ängste für den Drachen. Jetzt endlich kommen wir an einen interessanten Punkt! Wer ist der größte Jäger der Drachen, hm? Die Menschen. Welch bessere Möglichkeit gibt es, einen Feind auszuschalten, als eben diesen Feind zu seinem Anwalt zu machen, zu seinem Beschützer! Also. Irgendwie sind vor Jahrtausenden die Vorfahren der Djimbi und die Urahnen der Drachen diese besondere symbiotische Beziehung eingegangen, auf die wir heute so missbilligend herabsehen. Faszinierend, stimmt’s?«
Ich stieß ein Keuchen aus, das er als Zustimmung interpretierte.
»Vor einigen Jahren, bevor ich von dem Ritus erfuhr, habe ich Jungdrachen studiert«, fuhr er fort, noch während er seine Untersuchungsergebnisse mit kratzender Feder in den Folianten eintrug. »Ich war fasziniert von dem instinktiven Drang der Jungdrachen, ein menschliches Gesicht sofort anzugreifen. Ich habe Experimente durchgeführt, Messungen, und eine Entdeckung gemacht. Es ist nicht das menschliche Gesicht, auf das der Jungdrache mit seiner noch nicht mit Gift überzogenen Zunge zielt. Es ist der menschliche Mund. Ein nasses, klaffendes rotes Loch. Es ähnelt der Schnauze des Mutterdrachen, gewiss, nur viel kleiner. Eine Futterquelle! Maht kommt aus einem solchem Maul, und ein Jungdrache ernährt sich von Maht. Also. Als ich von dem bestialischen Ritus erfuhr, begriff ich, wie leicht die Instinkte eines Jungdrachen dazu benutzt werden können, einen Drachen darauf zu trainieren, seine Zunge in eine Frau zu stecken. Hast du noch eine Frage?«
Sak Chidil hatte sein Leben darauf verwandt, Dinge zu untersuchen, seine Umgebung genau zu betrachten und selbst die kleinsten Veränderungen wahrzunehmen. Also musste er aus meiner Miene die Frage geschlossen haben, die sich in meinem Kopf formte.
»Ihr haltet Drachen nicht für göttlich«, sagte ich leise.
Er schnaubte. »Ganz bestimmt nicht. Das ist Unsinn, der von Gifthalluzinationen inspiriert wurde, weitergetragen von den Sagen der Primitiven, im Eigeninteresse zum Dogma erhoben von der Regierung und den Theologen. Göttlichkeit, pah! In einem Drachen steckt nicht mehr Göttlichkeit als Boshaftigkeit in einer Kwano-Schlange. Es sind einfache Tiere, ohne Intelligenz gezeugte Tiere, Ergebnisse von Veränderung und Zeit.«
»Und die Menschheit?«, erkundigte ich mich.
Er sah mich an. Das Auge hinter der Linse wirkte riesig im Vergleich zu dem anderen. »Wir sind ebenfalls nur Tiere. Dumme Tiere, mit dem Potenzial zur Größe, gewiss, aber wir sind unfähig, diese Größe zu erlangen, und werden immer unfähig dazu sein. Weil wir von primitiven Trieben gesteuert werden.«
Er warf einen vielsagenden Blick auf den kleinen Stall, in dem immer noch Jotans lüsternes Stöhnen zu hören war. »Wir sind nicht besser als bucklige Schlangen. Und das werden wir auch niemals sein, Drachenhure. Niemals.«
Noch lange nachdem Jotan in dieser Nacht in ihr Gemach zurückgekehrt war, wund, nackt und nach Sex duftend, und mich auf meinem Bett zurückgelassen hatte, dachte ich über das Gespräch mit Sak Chidil nach. Seine Theorien verwirrten mich, raubten mir den Schlaf. Ich wollte nicht glauben, dass Drachen so wenig heilig
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