Das Gift der Drachen Drachen3
blieb wieder stehen. »Wir müssen ihn holen.«
»Sei keine Närrin!«
Mir klapperten die Zähne. Mein Kopf pochte schmerzhaft, meine Rippen brannten wie Feuer. Das Bild meiner Schwester Waivia stieg vor meinen Augen auf. Ich hatte sie in den Logen der Arena gesehen, wo sie sich aufreizend an Waikar Re Kratt schmiegte, den Mann, der unseren Vater ermordet und Gesundheit und Verstand aus meiner Mutter herausgeprügelt hatte. Ob Waivia wohl gerade beobachtete, wie Dono blindlings durch den Staub kroch? Wenn ja, würde sie nichts unternehmen, um ihn zu retten, dessen war ich mir sicher.
Plötzlich wurde es für mich ungeheuer wichtig, Dono zu retten. Tat ich es nicht, war ich dazu verdammt, durch die dunklen Gänge unter der Arena zu kriechen, bis ich erschöpft zusammenbrach. Ich war fest davon überzeugt.
Also log ich und benutzte die einzige Waffe, die ich besaß: Gens Überzeugung, ich wäre die Dirwalan Babu, die Tochter des Himmelswächters, eine Frau, der prophezeit worden war, die Drachen und die Menschen von der Knute des Tempels zu befreien. »Dono ist von Bedeutung für uns, Gen. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber wir brauchen ihn. Ich spüre es in meinem tiefsten Innern. Wir müssen umkehren.«
Der Drachenmeister plapperte vor sich hin wie ein Baby, das in den Schlaf hinüberdämmerte.
Drachenjünger Gen antwortete langsam und bedächtig. »Zarq. Du stehst unter dem Einfluss des Giftes …«
»Ihr habt mir doch kaum welches gegeben!«, stieß ich hervor. »Jeder Schritt ist die reinste Qual für mich. Ich fühle jeden gebrochenen Knochen, als hätte ich nur Wasser getrunken!«
Die Fackel flackerte und warf Wellen von Hitze und Licht über mein Gesicht, über seinen Schleier und die bedrückenden Steinwände.
Abrupt fuhr Gen zu dem Mann herum, der den Komikon stützte. »Bring sie zum Ende des Tunnels.« Er klang wütend. Nein. In die Enge getrieben. »Dort kommt ihr an einen Scheideweg mit drei Gängen. Nehmt den mittleren Tunnel und biegt an seinem Ende links ab. Beeilt euch. Und sagt den Männern, die draußen postiert sind, sie sollen auf mich warten.«
»Ihr scherzt!«, erwiderte der Angesprochene entsetzt.
»Beeil dich!«, brüllte Drachenjünger Gen, drückte mir die Fackel in die Hand und drängte sich an mir vorbei, den Weg zurück, den wir gekommen waren. »Wartet draußen auf mich, mit unseren Drachen!«
»Wie lange denn?«, schrie der Mann Gen nach. Doch der war bereits verschwunden.
Jetzt würde ich es schaffen. Wir würden den Weg aus dem Labyrinth finden, und ich würde nicht dazu verdammt sein, in den Tunneln zu sterben, zur Strafe dafür, dass ich Dono zurückgelassen hatte.
Warum klapperten mir dann die Zähne?
Ich wusste vage, dass ich unter dem Einfluss des Giftes stand, dass ich Hirngespinsten, Wahnvorstellungen nachhing, berauscht war, dass mir schwindelte. Doch das spielte keine Rolle. Dono gehörte zur Familie, und ich würde verdammt sein, wenn ich ihn zurückließ, damit der Tempel ihn unter dem gleichgültigen Blick meiner Schwester exekutierte. Ich war verdammt, wenn ich ihr auch nur im Entferntesten ähnlich würde.
Danach setzten wir unseren Weg fort, fast im Laufschritt. Vor uns huschten Kreaturen davon, manchmal hörten wir sie auch hinter uns. Einmal sah ich etwas in der Dunkelheit vor mir. Es war kniehoch, und seine Farbe glich dem gelblichen Grau gekochten Eigelbs. Sein Rückgrat sah aus wie die Knöchel einer geballten Faust. Es bewegte sich geduckt und stank nach verfilztem Fell und Palmöl. Ich hatte keine Ahnung, was es sein konnte, und meine Haut kribbelte.
Wortlos folgten wir Gens Anweisungen. Selbst der Drachenmeister war verstummt. Wir stolperten weiter, immer weiter durch das endlose Dunkel.
Unaufhörlich weiter.
Großer Drache, hatten wir etwa die Abzweigung verpasst? Nein. Vor uns gabelte sich der Tunnel in drei Gänge. Wir nahmen den mittleren und gingen durch einen noch schmaleren Tunnel, der zunächst sanft, dann zunehmend steiler anstieg und urplötzlich endete. Vor mir erhob sich eine Steinwand, und nach rechts und links führte jeweils ein Gang. Ich wandte mich nach links. Der Tunnel krümmte sich, hierhin, dorthin, immer wieder. Die Decke wurde niedriger, immer niedriger. Wir liefen gebückt im Kreis.
»Das ist der falsche Weg!«, stieß ich pfeifend hervor. Die Hitze der Fackel trocknete meine Gesichtshaut so sehr aus, dass sie spannte. Meine gebrochenen Rippen bohrten sich wie Drachenklauen in meine Eingeweide.
Plötzlich machte
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