Das Gift der Drachen Drachen3
Danke.«
Sie blickte zu mir hoch. Ihre Augen waren unergründlich. Sie hatte ihre Tränen bereits vergossen, hatte mir gesagt, dass es nicht meine Schuld war. Sie hatte sich für das entschuldigt, was ich um ihretwillen durchgemacht hatte, und hatte eine sichere Passage für mich arrangiert, hinaus aus ihrem Leben.
Sie hatte sich bereits von mir verabschiedet.
Ich drehte mich um und verließ hastig das Gemach, bevor ich erneut in Tränen ausbrach.
20
D as Institut der Herpetologie, in dem Lurche und Kriech tiere untersucht wurden, stank nach verfaulenden Pflanzen, Algen, Urin und einem anderen Aroma, das ich nicht genau identifizieren konnte. Aber es ähnelte dem Geruch jahrealten Vogelkots, der nach einem kürzlichen Monsunregen in der Sonne dampfte. Malaban Bri stand mit säuerlicher Miene neben mir.
Der Handelsbaron war ein untersetzter Mann mit breiter Brust, dick mit Kohlestift umrandeten Augen und vergoldeten Schneidezähnen. Auf seinen Wangen zeigte sich ein mehrere Tage alter Bartschatten, der die dunklen Ringe unter seinen Augen noch unterstrich. Er war, verschwitzt von der Reise und müde, kurz nach meiner Rückkehr von Waivia in der Bri-Villa eingetroffen. Jetzt, kaum eine Stunde später, stand er neben mir, umringt von Hunderten gläserner Becken, in denen sich Kwano-Schlangen wanden, während Jotan den Kai nach einer Hure absuchte, die mir ähnlich sah.
»Wenn Ihr Euer Siegel auf diese Stelle drücken würdet, Bayen Hacros«, murmelte der Vorsteher des Instituts.
Malaban trat brüsk an den Schreibtisch des Mannes, dessen Holz durch die hohe Luftfeuchtigkeit bereits verfaulte, und drückte ungeduldig sein Siegel in das heiße Wachs, das der Mann auf den Kaufvertrag geträufelt hatte.
»Sorgt dafür, dass meine Escoas sofort beladen werden und abfliegen können«, verlangte Malaban, während er das Siegel aus dem Wachs befreite. »Ich habe es eilig.«
»Sie werden bereits beladen, Bayen Hacros.« Der Vorsteher rollte den Kaufvertrag zusammen. Seine Augen glitzerten in der aufziehenden Abenddämmerung. »Ihr werdet wahrhaftig ein beeindruckendes Opfer bringen, wenn Ihr diese Hunderte von Schlangen in einem Tempel verbrennt. Handelt es sich um einen Todesfall in Eurer Familie?«
Malaban Bri antwortete ihm mit einem kalten Blick. Der Vorsteher lief rot an, murmelte eine Entschuldigung und bedeutete uns, ihm über eine von glitschigen Algen überzogene Treppe zum Dach des Instituts zu folgen.
Der Mann hätte es besser wissen sollen, als nach den Gründen zu forschen, aus denen ein Mann wie Malaban sich entschieden hatte, so viele Schlangen direkt vom Institut zu kaufen, statt von den Buden der Straßenhändler, die sich um jeden Tempel der Stadt drängten. Ein solcher Kauf sprach für gewöhnlich von einer ernsthaften Sünde des Käufers: erzwungene Sodomie, Mord, Diebstahl … Von einer Handlung eben, die viel Vergebung vom Tempel und dem Einen Drachen verlangte, jedenfalls wenn man es sich leisten konnte. Jeden Tag verkaufte das Institut Hunderte von Kwano-Schlangen an Menschen, welche Gnade vor den Augen des Einen Drachen erlangen wollten und die Schlangen zu diesem Zweck auf dem Altar eines Tempels verbrannten. Der Vorsteher hätte wirklich wissen müssen, dass in diesem Fall hier Diskretion angebracht war.
Wir traten gebeugt durch eine niedrige, krumme Holztür auf das Dach des Instituts. Die Sonne versank hinter dem bewölkten Horizont, und der Wind trieb einen leichten Nieselregen von der Bucht heran. Ich fröstelte, als sich die Feuchtigkeit auf meinen Nacken legte. Ich trug die Kitzlederhose, die Weste und das pelzbesetzte Wams, das Jotan mir geschenkt hatte, und sah überhaupt nicht mehr der Studentin ähnlich, die noch vor kurzer Zeit mit einer Hebamme die Wai-Ebani Lupini Re besucht hatte. Trotzdem warf ich Malaban einen nervösen Seitenblick zu.
»Wir fliegen noch vor Einbruch der Nacht ab«, erklärte er, ohne mich anzusehen. Dann ging er zu den Bayen Etaan und S’twe, die uns nach Xxamer Zu begleiten würden. Zusammen mit mehreren ihrer Botenflieger, die bereits auf Escoas hockten, die mit den Bambuskisten beladen waren, in denen sich die Glasbehälter mit den Kwano-Schlangen befanden.
Ich biss mir nervös auf die Lippe. Wo blieb Jotan?
Als hätte sie mein stummes Flehen gehört, öffnete sich die Tür hinter uns knarrend. Jotan trat auf das Dach. Sie keuchte, als wäre sie gerannt.
»Ich habe eine gefunden«, sagte sie und nahm meine Hände in ihre. Sie fühlten sich kalt an.
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