Das Gift der Drachen Drachen3
verschwunden.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Das Drachen-Weib erzitterte unter den Schwingen, die sich jetzt mit einem reißenden Geräusch teilten; der Gestank von totem Gewebe erfüllte die Luft. Maden strömten aus dem Spalt zwischen ihren geöffneten Schwingen und glitten blind und nackt auf dem Bauch über den Boden; Hunderte von ihnen, weiß, schleimig und obszön.
Langsam erhob sich das Drachen-Weib.
Und ebenso langsam drehte es sich zu mir um, wandte sich mir die Frau zu.
Ihre Schwingen schimmerten vor Feuchtigkeit, als wäre sie gerade aus einer Gebärmutter gezogen worden oder frisch aus einem Ei geschlüpft. Sie streckte ihre Schwingen aus, stellte sich auf die Zehen, erhob sich zu ihrer ganzen Größe und …
… dann sah ich, dass es kein Weib mehr war.
Die beschwingte Kreatur näherte sich mir, und die Geruchsfühler auf ihrem Kopf – denn ja, sie hatte sich mit den Riechantennen eines Drachenbullen auf ihrer Maske vom Boden erhoben -, diese Fühler zitterten anmutig bei jedem ruckartigen Schritt. Erneut stand die Kreatur über meinem Kopf, setzte sich auf mein Gesicht, und als sie diesmal gellend pfiff, blieb ich ängstlich stumm, erfüllt von bösen Vorahnungen.
Im selben Moment roch ich es.
Reines, unverdünntes Gift.
Ich kann das Gefühl, das mich daraufhin überkam, nicht angemessen beschreiben. Es war größer als Erleichterung, dunkler als Hoffnung, stärker als Verlangen. Vielleicht ähnelte es dem, was ein Seemann empfindet, wenn die Planken seines Schiffes in einem wütenden Orkan auseinandergebrochen sind und er in die schäumende, salzige See gestürzt ist; wenn er fühlt, wie er zum letzten Mal von den gierigen Wogen hinabgezogen wird, und er in diesem Moment einen Streifen Land sieht, nur acht Schwimmzüge entfernt, und er weiß, dass wenigstens nach seinem Tod seine Leiche an den Strand gespült werden wird, nach Hause, zurück zum Element seiner Herkunft.
Vielleicht beschreibt das ungefähr die Emotionen, die mich durchdrangen, als ich das Gift roch, das die Kreatur über mir ausdünstete. Vielleicht.
Dann tanzte der Drachen-Weib-Mann um mich herum.
Der Stamm stimmte erneut einen Gesang an, nur war es diesmal einer, den ich aus früheren Erfahrungen kannte. Dieses Lied hatte ich mitten in der tiefsten Nacht in einem verarmten Konvent gehört, der unter Kalksteinfelsen neben einem rauschenden Wasserfall seine Heimstatt hatte. Es war ein Lied, das die Sinnlichkeit von Orchideen in voller Blüte heraufbeschwor, die samtene Üppigkeit von Wein, der warm durch die Glieder rinnt. Es war ein Lied über die geschmeidigen Muskeln der Dschungelkatze, das hämmernde, harmonische Crescendo von Trommeln und das Knistern und Fauchen lodernder Flammen. Worte liebkosten meine Fingerspitzen, schleckten wie Zungen über mich, drückten mich mit der weichen Prallheit von Brüsten, Hüften und Pobacken.
Der Drachen-Weib-Mann tanzte weiter um mich herum. In einer Hand hielt die Gestalt ein Messer. Mit einem melodischen Juchzen kniete sie nieder und durchtrennte die Fessel an einem meiner Fußgelenke. Dann sprang sie auf und umkreiste mich weiter.
Jetzt bemerkte ich, dass ihre Schwingen mit Stricken an Hüften, Unterarmen und Oberarmen befestigt waren. Und ich bemerkte auch, dass die Gestalt feste, kleine Brüste hatte, mit harten Brustwarzen in der Farbe von nassem Efeu. Und Haare, eine gewaltige Mähne, die wie ein verfilzter Teppich aus trockenem Moos bis zu ihrer Hüfte reichte. In diese Mähne war eine Locke von Haar geflochten, das so dunkel war wie meines.
Die Gestalt war kein Weib-Mann. Es war eine Frau.
Langbein.
Der Stamm hüllte mich weiter in sein lüsternes Lied ein. Langbein juchzte erneut, kniete sich wieder hin und befreite meinen anderen Knöchel.
Mir fiel ein, was eine der alten Konventschwestern zu mir gesagt hatte, bevor ich den bestialischen Ritus das erste Mal beging. Niemand wird ausgebeutet, niemand gezwungen. Es ist ein göttlicher Austausch zwischen Bestie und Weib.
Nachdem die letzte Liane durchtrennt war – meine Arme, Beine, Hals und Taille, alles war frei -, blieb ich freiwillig auf dem Boden liegen, mit gespreizten Beinen, wartend.
Niemand wird gezwungen.
Langbein ließ das Messer neben meinen Füßen fallen und setzte sich auf meine Taille. Langsam ließ sie sich auf die Knie herunter, und die Muskeln in ihren sehnigen Beinen glänzten, als hätte sie sich eingeölt. Dann griff sie zwischen meine Beine. Drang mit den Fingern in mich ein.
Während
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