Das Gift der Drachen Drachen3
erstickende Geruch der Matriarchin hing wie bitterer Moschus in der Luft. Dies war die Nacht der dunklen, unheimlichen Macht der Frauen. Die Person mit dem Umhang drei Schritte von mir entfernt war unzweifelhaft eine Frau.
Der Mann, der neben mir kniete, ließ mein Kinn los und zog sich zurück. Beklommen starrte ich die maskierte, mit einem Umhang verhüllte Frau an.
Sie warf den Kopf in den Nacken und sang den sternenlosen, dunklen Blätterbaldachin über uns an. Die Töne schienen über mein Rückgrat zu laufen. Der Stamm der Djimbi, der uns aus dem Schatten hinter der Feuergrube beobachtete, erwiderte den Gesang. Die Frau breitete mit dramatischer Geste die Arme aus. Jetzt sah ich, dass sie keinen Umhang trug, oh nein. Sie hatte Schwingen. Wie eine Fledermaus. Wie ein Drache.
Diese nicht menschliche Erscheinung drehte sich langsam um und hüpfte in einem fremdartigen, primitiven Tanz näher. Ihre Maske zeigte den pfeilspitzenförmigen Kopf eines Reptils. Die hervorquellenden Augen waren bemalt wie die echsenartig geschlitzten Augen eines Drachen. Und genau das war sie: ein Drachen-Weib, eine beschwingte Schwester, eine göttliche Mensch-Echsen-Schlange, gezeugt durch Magie. Sie war nackt und sehnig, und ihre ledernen Schwingenmembranen erstreckten sich von den Handgelenken bis zur Taille.
Diese unmögliche Kreatur näherte sich mir mit gespreizten Schwingen. Ich konnte nicht schlucken, hatte Schwierigkeiten, überhaupt Luft zu holen.
Jetzt umkreiste mich dieses Drachen-Weib in einem primitiven, zuckenden Tanz, den Kopf erst auf eine Seite gelegt, dann auf die andere – eine Parodie der Art und Weise, wie ein Drache seine mögliche Beute beäugt. Die Frau stand direkt über mir und setzte sich dann auf mich, so dass ich zwischen ihren schlanken, muskulösen Schenkeln das nachtschwarze Vlies ihres Geschlechts sah. Ihre großen Schwingen schlugen neben mir, wehten Blätter über den Boden und ließen die Funken des Feuers stieben. Sie warf den Kopf zurück und pfiff gellend.
Dieser markerschütternde Pfiff glich dem Ruf, den der Geist meiner Mutter ausgestoßen hatte, wenn er die Gestalt des Himmelswächters angenommen hatte. Er klang ganz genauso. Es war ein pfeifendes Kreischen, das der schwefeligen Wut und den leichenübersäten Feldern der Unterwelt zu entstammen schien.
Ich holte tief Luft und schrie zurück. Ich glaube, ich schimpfte sie Hexe, Hure, Abschaum. Ich sagte ihr, sie solle sich selbst ficken, ihre Mutter, ihren Arsch den Hunden hinhalten. All das habe ich wohl geschrien.
Aber meine Worte waren nur Luft für sie.
Sie erhob sich, trat neben mich, sprang von mir zurück. Blieb stehen, wiegte sich auf den Fußballen vor und zurück, senkte den Kopf, senkte ihn noch tiefer, ließ die Schwingen hängen. Sie schien vor meinen Augen zu verkümmern. Sie sank auf die Knie. Zog den Drachenkopf zwischen sie. Faltete ihre Schwingen um sich. Irgendwo in dem Dunkel ertönte ein Gong. Achtmal.
Die maskierten Frauen tauchten wieder auf, erhoben sich vom Boden, schälten sich von den Bäumen, erschienen aus der Dunkelheit. Sie bildeten drei enge Kreise um das am Boden hockende Drachen-Weib, mit den Gesichtern nach außen.
Die drei Kreise der Frauen umrundeten langsam das unter den Schwingen hockende Drachen-Weib, wobei sich jeder Kreis in Gegenrichtung zum benachbarten bewegte. Die Knochen an ihren Totemstöcken klapperten. Erneut stimmten die Frauen ihren keuchenden Gesang an, der schließlich in ein langgezogenes Zischen mündete.
Aus der Dunkelheit der Nacht, aus den Kehlen des zusehenden Stammes erklang eine Antwort, rau und gelegentlich von kurzen, gellenden Pfiffen durchbrochen. Ein tiefes Brummen setzte ein, wie das einer Kröte, nur voller, tiefer, lauter und schwingungsreicher, der Herzschlag eines Monsters aus einer anderen Welt, das durch den Schlamm und den Sumpf aufstieg, um in dieser Nacht wiedergeboren zu werden.
Die Anrufungen der Stammesmitglieder wurden ungestümer. Die Frauen tanzten schneller um das Drachen-Weib, fieberhafter. Das tiefe, reptilienartige Brummen wurde lauter, veränderte meinen Herzschlag, hämmerte in meinen Schläfen, pulsierte zwischen meinen Beinen. Schneller und schneller wurden Gesang und Bewegung, lauter und lauter zischten die Frauen, bis sich alles vereinte und zu einem schier unerträglichen Höhepunkt steigerte und ich glaubte, mir müssten Kopf und Herz unter dem Druck explodieren.
Dann herrschte Stille.
Der dreifache Kreis aus Frauen … war
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