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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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»Ein Bösendorfer«, stellte er fest. »Haben Sie früher Klavier gespielt? Haben Sie vielleicht auch gesungen?« Er schüttelte den Kopf. »Natürlich haben Sie das. Es gehört in Ihren Kreisen zur Bildung.« Nachdenklich schlug er im Stehen einen Akkord an. Das war ein Klang! Weich und voll. Zurückhaltend und delikat. Ein wunderbares Instrument. Leider deutlich verstimmt.
    »Kennen Sie jemanden, der singen lernt?«
    Frau von Schaumburgs Augenlider waren fast geschlossen. Man hätte meinen können, sie sei in tiefen Schlaf gefallen. Alban ließ sich nicht täuschen.
    Sie weiß genau, worum es geht, dachte er. Und er wusste, dass er keine Chance hatte. Wie sollte er eine Hundertjährige unter Druck setzen? Keine Macht der Welt konnte das. Wer so alt war, war unangreifbar.
    »Ich verabschiede mich«, sagte er. »Ich bedaure sehr, dass Sie mich nicht unterstützen wollen. Ich lasse Ihnen meine Telefonnummer da, falls Sie es sich anders überlegen. Wenn Sie selbst nicht telefonieren können, lassen Sie mich anrufen.« Er zog eine Visitenkarte heraus und legte sie auf die bestickte Decke.
    Alban fand Simone in der Eingangshalle. Sie saß in einem der Sessel und blätterte in einer Zeitschrift. »Ich hab’s da drin nicht mehr ausgehalten«, sagte sie. »Hat sie was gesagt?«
    »Die ist stur, wie man nur mit über hundert Jahren sein kann. Eigentlich bewundernswert. Aber irgendjemand muss diese CDs bekommen haben. Die Pflegerin hat doch einen Neffen erwähnt … ihn müssten wir irgendwie aufspüren.«
    Simone lächelte. »Schon geschehen. Ich hatte mit der Pflegerin eben ein nettes Gespräch. Der Neffe heißt Guido von Schaumburg. Ich habe sogar die Adresse und die Telefonnummer bekommen. Beides ist hier nämlich hinterlegt, falls es der Gräfin schlechter geht. Er wohnt in Köln.«
    »Da waren wir heute schon mal«, stellte Alban fest. »Aber die Domstadt ist ja immer eine Reise wert.«
    Ein Anrufbeantworter meldete sich. »PR-Agentur Schaumburg. Ihr Service von Bach bis Pop.«
    Alban rümpfte die Nase über diesen Spruch. Immerhin: Der Mann arbeitete in der Musikbranche! Er hatte etwas mit den CDs zu tun, ganz sicher.
    Er drückte den roten Knopf und legte das Handy in das Ablagefach neben dem Radio. Ihm wurde klar, dass er zu viel Gas gab. Sie waren auf der A3. Gerade hatte eine 120-Zone angefangen. Die Tachonadel hinter dem Lenkrad berührte die 180.
    Wir sind nah dran, dachte Alban. Schaumburg ist der Schlüssel. Ganz bestimmt.
    Langsam trat er das Gaspedal ganz durch.

19
    Der Großneffe der Gräfin lebte im Belgischen Viertel. Sie standen vor einem hohen Stadthaus mit ehemals weißer, jetzt aber nachgedunkelter Fassade. Auf der engen Straße schlich manchmal ein Wagen vorbei. Am Eingang fanden sie ein großes Schild mit der Aufschrift »PR-Agentur Schaumburg«.
    »Ich weiß ja nicht, wie PR-Firmen normalerweise aussehen«, sagte Simone. »Aber mein Gefühl sagt mir, dass das hier eine Klitsche ist.«
    Alban klingelte. »Man kann in der Branche auch mit einem kleinen Büro erfolgreich sein. Es kommt immer darauf an, wen man als Kunden hat.«
    »Und wer sind die Kunden?«
    »Plattenfirmen. Musiker. Orchester. Festivals. Die Aufgabe besteht darin, den Kunden möglichst oft in schlagkräftigen Auflagen in die Presse zu bringen. Dafür braucht man vor allem gute Kontakte. Nicht unbedingt ein großes Büro.«
    »Du bist doch auch Journalist. Hat dich dieser Schaumburg schon mal kontaktiert?«
    »Ich habe noch nie etwas von ihm gehört.«
    Der Summer ertönte, und Alban drückte die Tür auf. Über eine alte Holztreppe gelangten sie in den dritten Stock. Ein junger blonder Mann stand am Treppengeländer und sah sie neugierig an. Er mochte genauso alt wie Pitt sein, aber er war ein ganz anderer Typ. Alban registrierte einen teuren dunkelblauen Pullover und eine graue Stoffhose mit scharfer Bügelfalte. Gegeltes Haar. Marke Jungmanager.
    »Was ist denn los?«, fragte er, als hätten Alban und Simone ihn bei etwas Wichtigem gestört.
    »Herr von Schaumburg?«
    »Allerdings.«
    »Mein Name ist Alban. Ich bin Musikkritiker aus Bonn. Das hier ist meine Kollegin Frau Lenz.«
    Von Schaumburg stand nur da und sah sie an.
    »Ich schreibe für das Magazin Allegro«, setzte Alban nach.
    »Und was wollen Sie?«
    Das ist kein PR-Profi, dachte Alban und sagte: »Ich war gerade in der Nähe und wollte fragen, welche Themen Sie in Ihrer Agentur anzubieten haben.«
    »Ich kenne Ihren Namen«, sagte von Schaumburg. »Entschuldigen

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