Das Gift der Engel
diesen PR-Adligen herausbekommen. Gib mir doch bitte mal dein Handy.«
Simone reichte es ihm, und Alban wählte eine Nummer, die er auswendig wusste. Er führte ein kurzes Gespräch und drückte den roten Knopf.
»Los geht’s«, sagte er und ging in Richtung der Parallelstraße, in der sie den Wagen abgestellt hatten.
»Wohin?«, fragte Simone.
»In die Höhle des Löwen.«
Der Junge hört, wie Luisa unten Türen aufschließt.
Er steht auf und verlässt sein Zimmer.
Vor ihr hat er keine Angst. Vielleicht weil sie die einzige Frau in diesem Haus ist. Vielleicht weil sie in einer anderen Welt lebt.
Sie lächelt ihm zu, während sie Einkäufe in den Kühlschrank räumt.
Der Junge bückt sich, hebt zwei Milchtüten auf und gibt sie ihr. Luisa nickt dankbar.
Da steht noch eine zweite Kiste. Sie ist voller Tiefkühlkost.
Der Junge hebt sie an. Luisa lächelt. Sie ist es nicht gewohnt, dass sie Hilfe bekommt.
Sie geht voran, und der Junge trägt die Kiste hinter ihr her. Eine Seitentür der Küche führt die Treppe hinunter. In den Keller.
Luisa bleibt vor dem Tiefkühlschrank stehen, öffnet ihn, und der Junge stellt die Kiste hin. Während sie die Päckchen einräumt, sieht sich der Junge in dem Keller um und denkt fieberhaft nach.
Was könnte ihm helfen?
Die Schlüssel natürlich. Aber es würde sofort auffallen, wenn sie fehlten.
Vielleicht ein Seil. Aber woher soll er ein Seil bekommen?
Luisa ist fertig und klappt die Kiste zusammen. Der Junge denkt, dass sie jetzt wieder nach oben gehen, aber Luisa bleibt vor einer Waschmaschine stehen. Sie bückt sich und füllt die Wäsche in einen großen Plastikkorb.
Sie zieht die einzelnen nassen Wäschestücke nicht einfach aus der Trommel, sondern trennt sie erst sorgfältig. Manche haben sich ineinander verschlungen.
Als der Junge wieder oben in seinem Zimmer ist, öffnet er seinen Schrank, nimmt ein paar seiner Hosen heraus, legt sie aufs Bett und überlegt.
20
Alban folgte der Ringstraße in Richtung Norden. Nach ein paar Minuten ragte vor ihnen der backsteinrote Turm des Saturngebäudes in die Höhe. Alban drehte und fuhr zurück, bis er eine Parklücke fand.
»Jetzt bin ich aber wirklich gespannt, wen du treffen willst«, sagte Simone.
Als sie ausgestiegen waren, bogen sie in die Maybachstraße und betraten den Mediapark.
Es war, als würde man die Grenze zwischen zwei völlig verschiedenen Städten überqueren. Eben waren sie noch im guten alten, etwas angegammelten Köln gewesen, und jetzt liefen sie durch eine Ansammlung von futuristisch anmutenden Klötzen aus Glas, Stahl und hellgrauem Beton, die ein moderner Städteplaner abgezirkelt um einen großen runden Platz aufgestellt hatte. An das höchste Gebäude drängte sich ein kleiner grauer Block. »Wenn Guido von Schaumburg mit großen Plattenfirmen zusammenarbeiten will, muss man ihn dort auf jeden Fall kennen.«
Sie gingen quer über den großen runden Platz und betraten das Gebäude. Innen empfing sie eine hohe Lobby, verziert mit riesigen Bildern aktueller Popstars. Am hinteren Ende, neben den Aufzügen, befand sich eine runde Pförtnerloge. Der Mann hinter dem Tresen blickte kurz auf und begrüßte Alban mit Namen. Alban wechselte ein paar Worte mit ihm und erklärte, dass er mit Frau Babenberg verabredet sei. Der Mann griff sofort zum Telefon.
»Wer ist Frau Babenberg?«, fragte Simone, als sie durch die Halle schlenderten und warteten.
»Sie ist PR-Managerin. Ich kenne sie schon seit Jahren. Wenn jemand weiß, was in der Branche los ist, dann sie.«
Kurz darauf öffnete sich einer der beiden Aufzüge, und eine schlanke, junge Frau kam heraus. Sie war blond, trug enge Jeans und einen Trenchcoat. In der Hand hielt sie ein rosa Handy.
»Hallo«, sagte die Frau und lächelte.
»Hallo, Marlene«, begrüßte Alban sie. »Schön, dass du Zeit für uns hast. Das hier ist Simone Lenz. Simone – Marlene Babenberg.«
Marlene Babenberg zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Wie wär’s mit ein bisschen was zu essen?«, fragte sie. »Ich hatte noch keine Mittagspause, und der Nachmittag bricht an. Ich habe nicht viel Zeit. Nachher ist noch ein Meeting.«
Sie gingen den gleichen Weg zurück und standen wieder an der Grenze zwischen der futuristischen Insel und den abgelebten Fassaden. An der Ecke zum Kümpchenshof befand sich ein Laden, der Alban bisher noch nie aufgefallen war, ein Feinkostgeschäft mit italienischen Spezialitäten. Durch die Fenster erkannte Alban
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