Das Gift der Engel
eine lange Theke und Regale. Auf der anderen Seite gab es Tische, an denen man alles gleich an Ort und Stelle genießen konnte. Drinnen orderte Marlene Babenberg etwas Käse, Schinken, Salami und Brot.
»Ich trinke Rotwein«, sagte sie. »Ihr auch?«
Alban und Simone schüttelten die Köpfe und bestellten Wasser. Dann quetschten sie sich auf die Sitze an einem der hohen Tische.
»Nett, dass du dich wieder mal blicken lässt«, sagte die Managerin. »Wann haben wir uns eigentlich zuletzt gesehen?«
»Ich glaube, das war im Konzert mit Simon Rattle in der Kölner Philharmonie«, sagte Alban. »Als ich dir erklärt habe, was Zwölftonmusik ist.«
Sie legte das Handy hin und kramte eine Zigarette aus der Tasche. »Ich glaube, das kannst du mir gleich noch mal erklären. Ich hab’s wieder vergessen.« Sie sah Alban an und grinste. »Nein, war nur ein Witz.«
»Soll das heißen, du weißt es noch?«
»Es soll heißen, du sollst mir jetzt bitte keinen Vortrag halten. Wenn es darum geht, den Medienleuten Storys zu verkaufen, muss das eh niemand wissen.« Sie zündete die Zigarette an. »Du hast am Telefon gesagt, du wolltest mich was fragen.«
Das Handy gab plötzlich eine dudelnde Melodie von sich. Alban erkannte den Anfang der F-Dur-Invention von Bach. Elektronisch steril.
»Ist nur eine Nachricht vom Büro«, sagte die Managerin. »Das hat Zeit.«
»Kennst du einen Guido von Schaumburg?«
»Klar. Er versucht gerade, als freier PR-Mensch den Fuß in die Tür zu kriegen.«
»Was hältst du von ihm?«
»In welcher Hinsicht?« Sie grinste anzüglich und streifte die Asche ab.
»Beruflich.«
»Er redet viel, quatscht ständig über irgendwelche Sensationsprojekte, die er demnächst auf die Welt loslassen will, verrät aber nichts Konkretes. Wie diese Leute so sind. Hast du nicht mal selbst mit ihm gesprochen? Angeblich hat der doch so gute Kontakte. Da müsstest du ja eigentlich auf seiner Liste stehen. Jedenfalls klappert er wohl seit ein, zwei Monaten die Plattenfirmen ab und macht sich bekannt. Wie ich gehört habe, war er auch in Berlin bei den Kollegen von Sony BMG und der Deutschen Grammophon.«
»Auf der Suche nach Projekten, die er betreuen kann?«
»Nein. Ich habe eher den Eindruck, dass er den Plattenfirmen etwas anbieten will.«
Alban nickte und tauschte mit Simone einen Blick.
»Hab ich was Falsches gesagt?«
»Im Gegenteil. Was will er anbieten?«
Marlene Babenberg rauchte ein paar Züge. »Keine Ahnung. Irgendeine dicke Sache, um die wir Plattenfirmen uns dann reißen sollen. Aber man weiß nicht, ob’s nur heiße Luft ist.«
Der Kellner kam mit einem riesigen Teller voll italienischen Aufschnitts zurück. In der anderen Hand hielt er den Brotkorb. Er stellte alles sorgsam auf dem schmalen Tischchen ab und holte Besteck und die Getränke. Marlene Babenberg drückte die Zigarette aus, nahm sich eine Scheibe Ciabatta und biss hinein.
»Warum interessiert dich das?«, fragte sie kauend. »Weißt du mehr als ich?«
Alban überlegte. Es war besser, nicht auf die Morde an Dr. Joch und Dagmar Dennekamp einzugehen oder zumindest die Zusammenhänge mit der Partitur nicht zu erwähnen. Aber er musste Marlene etwas Information liefern, sonst würde sie keine Ruhe geben.
»Das ist eine eigenartige Geschichte«, sagte er. »Ein Bekannter ist gestorben und hat eine Partitur hinterlassen, deren Herkunft ich gern aufklären würde. Es ist kein Komponist darauf verzeichnet, und das Stück scheint ganz interessant zu sein.«
»Und?«
»Ich habe ein bisschen recherchiert. Es hat sich herausgestellt, dass jemand eine Aufnahme davon gemacht hat und dass Guido von Schaumburg da irgendwie mit drinhängt.«
Marlene Babenberg verzog den Mund, nahm sich ein neues Brotstück, schmierte Butter darauf und versuchte dann noch, ein zusammengefaltetes Stück Salami darauf unterzubringen. Es wirkte geradezu akrobatisch.
»Was sagt er selbst dazu?«
»Angeblich weiß er nichts davon. Aber das nehme ich ihm nicht ab.«
»Was für Musik ist das denn? Ich meine, diese Partitur? Ist es was Altes?«
»Es ist keine alte Handschrift. Aber ich dachte zuerst, es könnte die Abschrift eines alten Stückes sein. Teile davon klingen aber moderner. Es wirkt wie ein Arrangement.«
»Und was für ein Stück ist es? Ich meine, was für eine Art?«
»Du meinst, welche Gattung?«
»Genau. Du hat es mal wieder musikwissenschaftlich korrekt ausgedrückt.«
»Es ist eine Sopranarie. Übrigens ziemlich schwer zu singen.«
Sie
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