Das Gift der Engel
spielt, gern ins Kino geht und ein Plakat von Robbie Williams über dem Bett hängen hat … Das ist eine Geschichte, die kaum Ärger verursacht. Sie ist nett, sie ist für die Omas dieser Welt geeignet – nur leider hat es sie schon so oft gegeben: Sandra Schwarzhaupt, Charlotte Church … Aber was soll’s: Wunderkinder kann man immer wieder mal bringen.«
»Das heißt, wenn Guido von Schaumburg mit einem Wunderkind ankäme, würdet ihr einsteigen?«, fragte Alban.
»Das habe ich letztlich nicht zu entscheiden, aber wenn es vernünftige Verträge gibt, viele Auftritte im Fernsehen, wenn das Kind einigermaßen was kann, Ausstrahlung hat, wenn also die Show stimmt …«
»Sie haben eben gesagt, dass es bei einem Wunderkind kaum Ärger gibt«, meldete sich Simone wieder. »Wieso denn kaum? Eigentlich dürfte es doch gar keinen geben.«
Marlene Babenberg schüttelte den Kopf. »Sieben Prozent der Bundesbürger lehnen Wunderkinder ab. Und das betrifft nicht nur den Bereich Musik, sondern auch Sport, den Tanz und all das.«
Alban machte ein erstauntes Gesicht. »Sieben Prozent? Woher wisst ihr das denn so genau?«
»Die Musik ist eine Industrie, mein Lieber. Das sollte dir nicht entgangen sein. Und Industrien erforschen ihre Kunden sehr genau. Umfragen. Analysen. Du weißt schon.«
»Und warum lehnen sie Wunderkinder ab?«, wollte Simone wissen und schmierte sich ein Brot. »Es ist doch toll, wenn junge Leute begabt sind. Wenn sie sich damit nicht zu sehr verausgaben …«
»Genau das ist der Punkt. Die Leute glauben, die Kinder hätten keine normale Kindheit mehr. Was ja auch stimmt. Was sogar im berühmtesten Fall, bei Mozart, gestimmt haben soll. Aber da kennst du dich besser aus, Nikolaus.«
»Von einer richtigen Kindheit konnte man bei Mozart sicher nicht sprechen«, sagte Alban. »Aber im 18. Jahrhundert hatte die ohnehin kaum jemand. Immerhin hatte Mozarts Vater so viel pädagogisches Geschick, dass er seinem Sohn wenigstens ein bisschen Kindheit gelassen hat … Aber wie dem auch sei: Die Idee, dass von Schaumburg ein Wunderkind auf den Markt bringen will, finde ich interessant. Vielleicht ist es ein komponierendes Wunderkind, die Partitur ist am Ende von ihm.«
»Ein zweiter Mozart«, sagte die Managerin. »Das wäre natürlich der Hammer.« Sie legte die Stirn in Falten. »Wobei das mit dem Komponieren nicht so einfach rüberzubringen ist. Wie will man der Öffentlichkeit beweisen, dass die Stücke wirklich von dem Kind sind? Das ist nicht sehr publikumstauglich. Man müsste das Kind im Fernsehen öffentlich improvisieren lassen oder so was … Aber ob das mit Gesang funktioniert? Ich stelle mir da eher ein Kind vor, das Klavier spielt …« Nachdenklich zündete sie sich noch eine Zigarette an.
»Wenn das mit dem Wunderkind stimmt, sind wir die ganze Zeit einem Phantom nachgelaufen«, sagte Simone, als sie wieder ins Auto eingestiegen waren. »Dann hat Guido von Schaumburg irgendein Projekt auf Lager, das er in der Musikbranche platzieren will, und er macht eben ein Riesengeheimnis daraus. Was ja bei diesen Sachen wohl normal ist. Er hat Probeaufnahmen machen lassen, dafür gesorgt, dass sie aus Gründen der Geheimhaltung über seine Tante an ihn geschickt wurden. Irgendwie sind Teile des Materials, die Noten und eine Probe-CD, in das Antiquariat von Dennekamp gelangt und dadurch an Dagmar Dennekamp. Sie hat sich in ihrer romantischen Art in die Musik reingesteigert und vielleicht Herrn Dr. Joch damit angesteckt. Dass sie und Herr Joch dann ermordet wurden, ist eben ein Zufall. Ein eigenartiger zwar, aber das ändert nichts.«
Alban wendete am Kümpchenshof und fuhr zurück in Richtung Ebertplatz. Sicher, dachte er. So kann es gewesen sein. Und Arne Zimmermann ist schuldig. Die Polizei hatte die ganze Zeit recht.
»Aber wer hat dann am Samstag bei uns die CD gestohlen?«, fragte er. »Und warum?«
Simone zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war es die einzige Kopie der Arie, und sie brauchen sie für das Projekt mit dem Wunderkind? Vielleicht ist ihnen das Original abhanden gekommen?«
»Wenn so etwas passiert, wendet man sich an das Studio und erhält eine neue CD. Und woher wusste der Einbrecher überhaupt, dass ich die CD hatte? Wer konnte es überhaupt wissen?«
Simone schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Konzentrieren wir uns lieber darauf, wer dieser unbekannte Geliebte von Dagmar Dennekamp ist. Er muss irgendetwas mit dem Wald hinter Remagen zu tun haben. Und mit Gräfin
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