Das Gift der Engel
informiere mich ab und zu.«
»Warum das denn? Ich denke, es hat sowieso keine Relevanz, was ich rauskriege?«
»Mensch, Nikolaus! Ich habe es doch nur gut gemeint. Also schön, behalte alles für dich. Mach, was du willst.«
»Wunderbar. Dann erzähle ich dir also nicht, dass ich gestern Abend auch noch mit einem Musikwissenschaftler zu Abend gegessen habe, der Joch seit Jahrzehnten kannte.«
»Was? Wie heißt der Mann?«
Alban ließ eine bedeutungsvolle Pause eintreten. Dann erklärte er: »Ich sage es dir, wenn du mir einen Gefallen tust.«
»Ich tue dir die ganze Zeit Gefallen. Hast du das noch nicht gemerkt?«
»Da kommt es auf einen mehr auch nicht an.«
»Also gut. Aber nichts Illegales.«
Alban erzählte dem Hauptkommissar von der Begegnung mit Bernardi. Kessler ließ sich die Telefonnummer diktieren.
»Ganz nette Information, sicher wird sie uns aber nichts nützen«, sagte er dann. »Aber ich nehme sie mal zu den Akten.«
»So«, sagte Alban. »Jetzt bin ich wieder dran. Der Gefallen.«
»Und?«
»Erst mal habe ich noch eine Frage. Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass Herr Joch in letzter Zeit verreist war?«
»Wieso willst du das wissen?«
Alban erklärte seine Vermutung, dass Joch vielleicht eine Bibliothek besucht haben könnte.
»Wir haben darüber nichts in Erfahrung gebracht. Wir wissen von verschiedenen Leuten, dass Joch viel unterwegs war. Aber wohin er gefahren ist, entzieht sich unserer Kenntnis.«
»Besaß er ein Auto? Vielleicht finden sich darin Hinweise.«
»Negativ. Er war wohl ein typischer Zug- und Taxifahrer.«
»Dann würde ich gern mal einen Blick in Dr. Jochs Wohnung werfen. Ist das möglich?«
»Da mir die Wohnung nicht gehört, kann ich dir das nicht erlauben.«
»Und wer darf dort hinein? Egal, wer es ist, ich werde ihn um Erlaubnis fragen.«
»Wir haben die dortigen Untersuchungen abgeschlossen. Streng genommen darf in die Wohnung der nächste Verwandte oder der Erbe.«
»Zimmermann fällt als Erbe erst mal aus. Wahrscheinlich also Sebastian Joch.«
»Gut getippt. Er ist derjenige, der im Moment den Schlüssel hat.«
Alban bedankte sich, legte auf und wählte die Nummer von Jochs Bruder. Die Frau meldete sich. Alban stellte sich so höflich wie möglich vor und fragte nach ihrem Mann. Im Hintergrund quietschte eines der Kinder.
»Er ist bei der Arbeit. Er kommt aber gegen drei nach Hause.«
Alban ließ sich die Nummer der Kreisverwaltung in Koblenz geben und erreichte Joch endlich. Er wirkte brummig.
»Ah, Herr Alban«, sagte er. »Haben Sie herausgefunden, wer diese Musik geschrieben hat?«
»Noch nicht, Herr Joch, aber ich habe eine Idee, wie ich in der Sache weiterkomme.«
»Lassen Sie hören.«
»Es bleibt nichts anderes übrig, als einen Blick in die Wohnung Ihres Bruders zu werfen.«
»Sie wollen seine Privatsachen durchwühlen?«, fuhr Joch auf. »Das kann ich auf keinen Fall zulassen.«
»Es geht nicht darum, irgendetwas zu durchwühlen. Sie haben doch von der Polizei den Schlüssel ausgehändigt bekommen, oder?«
»Woher wissen Sie das?«
»Sie sind der nächste Angehörige.«
»Allerdings.«
»Es wäre doch am einfachsten, wenn wir gemeinsam hingingen. Ich werde dort nichts ohne Ihre Zustimmung tun. Ich werde keine einzige Schublade öffnen, noch nicht einmal eine CD oder ein Buch aus dem Regal nehmen.«
»Was genau erhoffen Sie sich davon, Herr Alban?«
»Ich denke, wir finden in der Wohnung vielleicht einen Hinweis. Auf eine Bibliothek oder ein Archiv vielleicht, das Ihr Bruder besucht hat. Ich habe immer noch den Eindruck, dass die Partitur die Abschrift eines Werkes ist, dass in irgendeinem Archiv liegt … Vielleicht ist sie ja nur der Teil einer ganzen Oper, die noch irgendwo schlummert. Stellen Sie sich vor, was das bedeutet.«
»Was bedeutet es denn? Ich meine finanziell?«
Alban fantasierte los. »Wenn es sich um einen großen Komponisten handelt, viel. Aber das muss man ja erst mal beweisen.« Er dachte einen Moment nach und bastelte eine abenteuerliche Theorie, die Sebastian Joch hoffentlich begeistern würde.
»Stellen Sie sich vor, Ihr Bruder hat die Abschrift dieser Arie extra als Probe anfertigen lassen, um Musikkenner wie mich einfach nur zu fragen, was sie von der Musik halten, ohne den Urheber zu kennen. Stellen Sie sich vor, er selbst besaß das Original. Und er ließ es irgendwo in seiner Wohnung.«
»Sie meinen …«
»Stellen Sie sich vor«, redete Alban weiter, »Ihr Bruder besaß eine ganze
Weitere Kostenlose Bücher