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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Einlegearbeiten verziert. Rokoko, vermutete Alban. Auf der polierten Oberfläche standen gerahmte Fotos. Das übrige Inventar des Raumes bestand aus einem bordeauxroten Ledersofa, einem Fernseher und einer Bang-&-Olufsen-Stereoanlage. Die beiden Boxensäulen standen links und rechts der hohen Fenster.
    Alban konnte nachvollziehen, was Kessler gesagt hatte. Die Wohnung wirkte steril. Aber es gab keine Spuren, dass jemand nach Wertsachen gesucht hätte. Und hätte jemand, der das Inventar versilbern wollte, nicht die Musikanlage mitgenommen? Oder den Sekretär, der doch sicher einiges wert war?
    »Was wollen wir jetzt tun?«, fragte Sebastian Joch. »Das heißt, was wollen Sie tun?«
    »Wenn es Ihnen recht ist, würde ich gern einen kleinen Rundgang machen. Ich werde nichts anfassen. Es geht mir nur um einen Eindruck von der Wohnung.«
    »Also gut. Fangen Sie an.«
    Das Schlafzimmer, am Ende des Flurs gelegen, war genauso kahl und steril. Ein breites Bett, mit einer Tagesdecke versehen. Ein heller, moderner Wandschrank, der genau den Ausmaßen der langen Wand angemessen war. Eine Tür führte in einen Nebenraum. Vielleicht ein Ankleidezimmer, dachte Alban, als er einen weiteren Schrank sah. Sebastian Joch öffnete die Tür. Leere Bügel. Leere Fächer. Keine Anzüge, keine Wäsche.
    Gegenüber lag das Bad. Es waren keine persönlichen Toilettenartikel zu sehen. Keine Zahnbürste, kein Rasierzeug. Kein benutztes Handtuch. Die weißen, mit dunkelblauen Mustern umrandeten Kacheln glänzten frisch geputzt, das Ablagebrett unter dem Spiegel am Waschbecken war sauber und leer. Die Wohnung war nicht ausgeräumt worden, dachte Alban. Sie war unbewohnt. Als habe sich Jochs Leben woanders abgespielt.
    »Hatte Ihr Bruder eine Putzfrau?«, fragte er, obwohl ihm klar war, dass Sebastian Joch das kaum wissen konnte.
    »Ja, eigenartig. Es ist so aufgeräumt hier. Wie geleckt.«
    Sie fanden noch eine Gästetoilette und einen leeren Abstellraum, dann erkundeten sie die Küche.
    Joch war Besitzer einer großen Einbauküche mit frei im Raum stehendem Kochelement gewesen. Rundherum hingen Suppenkellen und Schöpflöffel wie Dekorationen in einer Möbelausstellung. Die steinerne Arbeitsfläche glänzte. Man hätte ein Foto für einen Küchenprospekt machen können.
    Alban öffnete den zwei Meter hohen Kühlschrank. Leer. Genauso wie die Vorratsschränke.
    »Finden Sie es nicht merkwürdig, dass persönliche Sachen fehlen, aber im Wohnzimmer wertvolle Möbel und eine Stereoanlage stehen?«
    Joch zuckte mit den Schultern. »Mein Bruder scheint nicht oft hier gewesen zu sein. Vielleicht war er immer bei diesem Stricher. Dessen Wohnung sollte man mal untersuchen. Da werden sich bestimmt viele Dinge wiederfinden, die eigentlich hierher gehören.«
    Alban schwieg und dachte nach.
    »Und nun?«, wollte Joch wissen. »Habe ich jetzt den Weg von Koblenz umsonst gemacht?«
    Es schadet dir sicher nicht, mal einen Blick auf deine zukünftige Wohnung zu werfen, wenn du schon so versessen darauf bist, dachte Alban. »Ich denke«, sagte er, »wir sollten den Sekretär im Wohnzimmer untersuchen.«
    Joch nickte. »Überlassen Sie das aber bitte mir.«
    »Selbstverständlich.«
    Sie gingen hinüber und betraten den edlen Parkettboden.
    Joch ergriff den Schlüssel und zog die Tischplatte nach vorne.
    Alban ging in die Knie und zog unten die beiden Stützen heraus. »Damit die Schreibtischfläche nicht abbricht«, erklärte er. Joch nickte.
    Das Innenleben des Sekretärs bestand aus übereinandergelagerten Schubladen und einem großen Fach in der Mitte. In dem offenen Mittelbereich drängten sich Papiere. Endlich eine Chance, fündig zu werden, dachte Alban. Aber er beherrschte sich.
    »Bitte sehr, Herr Joch. Schauen Sie die Sachen durch.«
    Joch war offenbar abgelenkt. Er nahm eines der Fotos, die auf dem Sekretär standen, in die Hand. Das Schwarzweißbild zeigte einen älteren Mann mit schwarz geränderter Brille.
    »Wer ist das?«, fragte Alban.
    »Unser Vater. Ich habe dieses Bild noch nie gesehen.«
    »Lebt er noch?«
    Joch schüttelte den Kopf. »Er ist gestorben, als ich zehn war.«
    »Dann hat Ihr Bruder ihn viel besser gekannt als Sie.«
    »Nicht nur das. Unser Vater war auch Arzt. Vor dem Krieg. Er war in russischer Kriegsgefangenschaft, und er war einer der Letzten, die nach Hause kamen. Sie wissen schon – Adenauers Initiative. Mein Vater hat nach seiner Heimkehr mit viel Druck dafür gesorgt, dass mein Bruder ebenfalls Medizin

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