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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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vergrößern. Und es würde zu Spekulationen verleiten. Wir wollen uns erst einmal darauf beschränken, gedruckt tradierte Musik aufzunehmen. Damit haben wir noch genug zu tun.«
    Alban fuhr sich durch die Haare. Jungs Ergebnis war faszinierend. Wenn der Student recht hatte, war die Arie eine Sensation von einer ganz anderen Art, als Alban geglaubt hatte. »Wir haben es also entweder mit einem Möchtegernkomponisten zu tun, der auf dilettantische Art versucht hat, eine Barocknachahmung zu bauen, oder es ist jemand, der das Kastratenrepertoire erforscht hat und es für Aufführungen vorbereiten wollte.«
    »Meine Theorie wäre, dass die Solostimme der Arie in irgendeinem Archiv lag und dass ein nicht ganz geschickter Komponist dazu eine mehr oder weniger gute Streicherbegleitung geschrieben hat. Einfach gesagt: Der Gesangspart ist alt. Oder sehr, sehr gut auf alte Weise komponiert. Die Begleitung ist neu.«
    Alban dachte nach. Das würde erklären, warum das Stück einerseits so faszinierend wirkte und warum diese Faszination andererseits so schwer festzumachen war. Es war ein missglückter Rekonstruktionsversuch. Ein altes Bild mit Löchern, die schlecht repariert worden waren, und darüber hinaus steckte das Bild auch noch in einem völlig falschen Rahmen. Aber das Bild selbst, obwohl Fragment, strahlte immer noch einen großen Teil seines alten Glanzes aus.
    »Sie müssen die Singstimme allein betrachten«, hörte Alban Jung sagen. »Es kann tatsächlich sein, dass sie von Händel oder einem anderen großen Meister stammt.«
    »Der Fund einer solchen Kastratenpassage wäre aufsehenerregend«, stellte Alban fest.
    Jung nickte. »Und wo immer diese hier herkommt: Vielleicht ist da, wo sich das Original befindet, noch mehr davon.«
    Simone brachte Jung zur Haustür, und Alban sah auf die Uhr. Kurz nach elf. Eigentlich war das nicht die Zeit, in der man rechtschaffene Leute störte, aber es musste sein.
    Es klingelte ziemlich lange, bevor Frau Richter abnahm. Als sie sich meldete, ertönten im Hintergrund Stimmen, die ganz plötzlich leiser wurden. Sie verbrachte den Freitagabend offensichtlich vor dem Fernseher.
    »Ich hoffe, ich störe Sie nicht zu sehr«, sagte Alban, »aber ich habe noch eine Frage.«
    »Aber Sie stören doch nicht, Herr Alban. Einen Moment, ich muss ins andere Zimmer gehen.«
    Plötzlich kam zu dem Fernsehgeräusch eine andere Stimme hinzu. Es klang, als würde jemand laut quengeln. Erst dachte Alban, dass es ein Kind sei, aber dann fiel ihm ein, dass es wahrscheinlich die Mutter war, mit der Frau Richter zusammenwohnte.
    »So, da bin ich wieder«, sagte sie, und jetzt war es im Hintergrund still.
    »Nur eine ganz kurze Frage. Kennen Sie eine Dagmar Dennekamp?«
    Frau Richter dachte ein paar Sekunden lang nach. »Dennekamp … Nein, der Name sagt mir überhaupt nichts. Wer ist das?«
    Irrte sich Alban, oder schwang in der Stimme etwas wie Eifersucht mit? Die Frauen in Dr. Jochs Bekanntenkreis wurden von Frau Richter offensichtlich argwöhnisch betrachtet.
    »Ich bin mir sicher, dass Herr Dr. Joch Frau Dennekamp kannte. Sie ist ebenfalls ermordet worden.«
    »Was?« Frau Richter wirkte ehrlich erschrocken. »War sie mit ihm … befreundet?«
    »Genau das will ich herausfinden.«
    »Was war das für eine Frau? Wo wohnte sie, und was hat sie gemacht?«
    »Sie war Schriftstellerin. Dichterin. Sie lebte in Erpel.«
    »Wann ist das passiert?«
    Alban spürte die Aufregung in Frau Richters Stimme.
    »Es ist schon ein paar Monate her. Die beiden Fälle müssen nichts miteinander zu tun haben. Es ist vielleicht alles Zufall.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen. Auf der anderen Seite – es geschieht so viel in der Welt …«
    »Natürlich, Frau Richter. Letztlich kann man es nicht wissen. Entschuldigen Sie noch mal die Störung. Falls Ihnen noch etwas dazu einfällt, rufen Sie mich doch bitte an.«
    Er verabschiedete sich und wählte gleich die nächste Nummer. Bernardi. Es geschah dasselbe wie bei seinem ersten Anruf. Drei Klingelzeichen, dann ging ein AB an. Keine Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen. So konnte man sich natürlich auch die Leute vom Hals halten. Er legte auf.
    Simone kam zurück. »Jetzt musst du mir aber was erklären«, sagte sie. »Das war ja alles ganz nett, und es hat mir auch eine Menge Spaß gemacht, diesem schnuckeligen Typen zuzuschauen, aber die Sache mit den Kastraten … Was ist denn?«
    Alban stand auf und bewegte die Schultern, als müsse er eine

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