Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
Fremden ehrlich und aufrichtig in dem, was in diesem Monat gerade ihr Heim ist, willkommen heißen können. Ich lehnte die Einladung stumm, aber freundlich ab und versuchte, mein Lächeln zu bewahren, als mir etwas ins Kreuz drückte. Inigo hatte seine ölig grüne Hand dorthin gelegt und einen grell verschmierten Abdruck auf meiner weißen Weste hinterlassen.
» Mmmmmm.« Gaia streckte den Finger aus. » Guck mal die Frau.«
» Schon gut.« Ich sprang zur Spüle und ließ Wasser über den Stoff laufen.
» Das werde ich kochen müssen, um den Fleck rauszubringen.« Rex war offensichtlich die Waschfrau in diesem Haushalt. » Das kann ich nicht, solange du es anhast.«
» Na, ich kann hier ja wohl kaum im BH rumsitzen«, sagte ich. » Keine Sorge. Ich bringe das zu Hause in Ordnung.«
Aber Biba hatte eine andere Idee. » Zum Kleiderschrank!«, befahl sie. Sie sprang vom Tisch auf und warf ein leeres Glas um. Alle stöhnten im Chor.
» Viel Glück, Karen«, sagte Jo, und Tris salutierte mit gespielter Feierlichkeit zum Abschied. » Pass auf, dass du nicht zu weit hineingehst, sonst landest du noch in Narnia.«
Es war inzwischen dunkel, und als Biba das Licht auf der Treppe einschaltete, erwachte ein Trio von Motten und tanzte einen selbstmörderischen Tango um die baumelnde Glühlampe. Ein breiter, scharlachroter Läufer wurde von Messingstangen vor den meisten Stufen notdürftig festgehalten; Biba beschritt diesen roten Teppich mit der Haltung einer als » Beste Schauspielerin« Nominierten am Abend der Oscar-Verleihung.
Der erste Stock war das Epizentrum der Party gewesen. Ich warf einen Blick durch die Wohnzimmertür und sah, dass entweder die Aufräumaktion nach der Party abgebrochen worden war oder eine neue Party angefangen hatte. Fleckige Weingläser und Bierdosen, aus denen Zigarettenstummel quollen, drängten sich auf einem Couchtisch. In den klapprigen Schiebefenstern, die jeden Treppenabsatz erhellten, standen einsame kleine Blumenkästen mit verwelkten, staubigen Kräutern.
» Weißt du, wie alle diese Zimmer heißen?«, fragte Biba mich. » Sie haben nämlich alle Namen. Das hier ist das Samtzimmer, weil die Möbel früher alle mit Samt bezogen waren, als wir klein waren. Jetzt ist er allerdings ein bisschen kahl und glitschig. Da, wo du reingekommen bist, ist die schwarz-weiße Halle, und Nina und die Kinder schlafen im Küchenschlafzimmer und im Gartenzimmer.« Wir blieben im zweiten Stock stehen. Hier war der Teppich blau von Pfirsichblüten. » Das ist Rex’ Zimmer.« Biba deutete mit dem Daumen auf eine geschlossene Tür. » Da oben«– sie schaute zu einer kleinen, schmaleren Treppe mit Spanplattenwänden, die unter die Dachschräge hinaufführte– » wohnen Tris und Jo, in Speicher eins. Es gibt auch Speicher zwei, aber der ist voll Gerümpel. Und hier bin ich.«
Mit der Schulter drückte sie die Tür gegenüber von Rex’ Zimmer auf und räumte damit eine bogenförmige Fläche von sichtbarem Teppich frei. Ein Mulch aus bunten Kleidungsstücken hatte die Türschwelle blockiert und bedeckte den gesamten übrigen Boden. Dies war weniger ein Zimmer als ein Kleiderschrank; an die halb bezogene Matratze auf dem wackligen Bettgestell an der Wand gegenüber schien man erst später gedacht zu haben. Der Rest des Raums war voll von Garderobenstangen, Kommoden und Schränken voller Kleider aus unterschiedlichen Stoffen in sich beißenden Farben, ineinander verheddert und verschlungen und um Aufmerksamkeit wetteifernd. Man sah, dass diese Kleidungsstücke auf Flohmärkten und Schlussverkäufen, bei Freunden und in Secondhandläden zusammengesucht worden waren. Eine zu einem Minikleid umgearbeitete Tankwartskluft aus den Fünfzigerjahren hing wie ein Vorhang vor dem Fenster. Auf dem Boden sah ich Reihen und Berge von Schuhen, Stiefeln und Sneakers in Paaren, aber öfter als Einzelstücke, die allesamt nicht für Bibas Füße gemacht worden waren, sondern die Fußspuren früherer Besitzer abbildeten. Biba war hinter einer überquellenden hohen Kommode verschwunden und riss Kleider aus den schmalen Schubladen wie ein Zauberer, der bunte Tücher aus dem Hut zieht.
» Mi Garderobe, tu Garderobe. Wie wär’s damit für dich?« Sie zog ein mit Blumen bedrucktes Teekleid in sämtlichen falschen Schattierungen von Pink und Braun hervor. Es war nicht gebügelt, stammte aber aus einer Zeit, in der Kleider noch gebügelt werden mussten, und es roch muffig und ätherisch wie Biba selbst. Ich wandte ihr den
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