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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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wie einen blauen Nebel, und riechen konnte ich sie auch.
    Ich wandte mich zum Haus zurück und sah das Kellergeschoss jetzt von hinten. Durch ein doppeltes französisches Fenster gelangte man in ein Schlafzimmer, und dahinter musste die Küche liegen. Also hier gingen sie alle ein und aus. Gaia saß in der offenen Tür.
    Biba streckte die Arme aus und gab ihr einen Kuss. » Bist du ein braves Mädchen und sagst deiner Mummy, wir sind spazieren gegangen?« Gaia watschelte zielstrebig davon. » Schnell, solange sie nicht herschaut.« Biba schob mich zum Zaun. » Ich will nicht, dass sie Bescheid weiß. Fuck … kannst du dir das vorstellen? Wenn sie hier durchgeht, bringt Nina mich um.«
    Sie hob einen Vorhang aus Efeu, und dahinter fehlten zwei Planken in dem Zaun zwischen Garten und Wald. Wir kletterten hindurch und waren in der schwärzesten Finsternis, die ich in London jemals gesehen hatte. Die Lichter des Hauses waren verschwunden, und ich musste eine Weile heftig blinzeln, bevor ich Zweige und Äste erkennen konnte. Der Waldboden blieb unsichtbar für mich, aber für Biba barg er keine Hindernisse. Blindlings tappte ich voran und versuchte, Bibas schnelle und sichere Schritte nachzuahmen, aber ich stolperte über Wurzeln und schlitterte über Moos.
    » Vertrau mir«, sagte Biba und reichte mir die Hand. » Niemand kennt diesen Wald besser als ich und Rex. Ich bin mein Leben lang darin herumgelaufen. Mit diesem Wald wird nichts gemacht; er ist ein Naturschutzgebiet, und wenn man die Wege einmal kennt, verändern sie sich nicht mehr.«
    Zweige knackten, und Äste schlugen mir ins Gesicht, als sie mich schnell zwischen den Bäumen hindurch und weiter hinunter in den Wald zog. Sie ließ ihr Feuerzeug aufflammen, aber das orangegelbe Licht, das ihr Gesicht in einem gespenstischen Chiaroscuro erhellte, verstärkte nur die Dunkelheit, die um meine Füße wirbelte wie Treibsand. Gern hätte ich ihr gesagt, dass ich Angst hatte, aber ich begnügte mich mit dem, was leichter zu akzeptieren war: » Ich flippe hier gleich aus.«
    » Entschuldige.« Sie blieb stehen. » Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das erste Mal hier war, und deshalb ist mir nie klar, wie es für neue Leute ist. Pass auf, wir sind gleich auf dem Weg.« Ich spürte, dass der Boden ebener wurde und die Äste, die mir ihre Finger in die Augen stachen, sich teilten und zurückzogen. Ein heftiger Ruck an meinem Handgelenk wirbelte mich nach rechts, und ich blinzelte, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
    Die Lichtung, auf der wir standen, war umgeben von leicht ansteigendem Waldgelände. Silbriges Licht schien auf ein rundes Kinderplanschbecken herunter, trocken und leer bis auf ein paar zerbröckelnde Blätter. Der türkisblaue Anstrich am Sockel des Beckens war verblichen und blätterte ab, aber er war immer noch ein Spiegel für den Vollmond, der senkrecht darüberhing, ein makelloser, champagnerfarbener Kreis nur für uns.
    » Das Herz des Waldes«, verkündete sie, stolzierte in die Mitte des Kreises und hockte sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden. Sie zog einen Joint hinter dem Ohr hervor und fuhr damit unter ihrer Nase entlang.
    » Schön hier«, sagte ich. » Wie aus einem Märchenbuch.«
    » Heinrich VIII . hat hier gejagt«, erzählte sie. » Na ja, nicht hier im Planschbecken natürlich, aber es gibt das Gerücht, dass Elisabeth I. als kleines Kind hier gespielt hat. Es ist ein Teil des alten Urwalds, der früher ganz England bedeckte. Technisch gesehen ist es derselbe Wald wie der New Forest, nur mit ein paar Hundert Meilen bebautem Gelände dazwischen. In London sind nur noch der hier und zwei andere Wälder davon übrig. Aber dieser hier ist der beste. Und niemand liebt ihn mehr als ich.«
    Wieder ließ sie das Feuerzeug aufflackern, diesmal, um den Joint anzuzünden. Die Flamme verfehlte ihr Ziel, denn ihre Koordination scheiterte, und ein Funkenregen wehte zu mir herüber. Sie war betrunkener als ich, und ich war sehr betrunken; ihre klare Stimme hatte Schleier bekommen wie ein Glas, das zu oft in der Spülmaschine gewesen ist. Ich ließ mich neben ihr zurücksinken, und dankbar spürte ich, wie meine heiße Haut Kontakt mit dem kühlen Boden fand.
    » Das erste Stück, in dem ich je mitgespielt habe, wurde hier aufgeführt«, erzählte sie. » Eine Schulaufführung. Hänsel und Gretel. Hier im Kreis. Ich war natürlich Gretel. Du kannst dir vorstellen, wie aufgeregt ich war, so was sozusagen in meinem eigenen Garten

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