Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
Rücken zu, während ich mich umzog, und stellte überrascht und entzückt fest, dass es mir wie angegossen passte. In diesem geborgten Kleid von Biba kam ich mir interessanter und vitaler vor: Wie das Kleid fühlte ich mich auf elegante Weise zerknautscht, als verberge sich hinter jeder Unvollkommenheit eine interessante Geschichte. Ich fühlte mich mehr wie eine Person, die in dieses Haus gehörte.
» Du siehst toll aus«, sagte sie. » Jetzt will ich mich auch umziehen.« Sie hielt ein rückenfreies grünes Kleid hoch, das mit Rheinkieseln besetzt war.
» Ist das nicht ein bisschen dramatisch, um damit im Haus herumzulaufen?«
Biba schnalzte mit der Zunge. » Wenn ich auf den richtigen Anlass warten wollte, um mich schön anzuziehen, würde ich die Hälfte dieser Sachen niemals tragen. Zieh etwas an, und du lässt Dinge geschehen, die dazu passen. Andersherum funktioniert es nicht.« Sie hob die Arme über den Kopf, wie ein Kind es tut, wenn es einen Pullover auszieht, kreuzte die Handgelenke und zog sich das Kleid in einem Schwung aus. Darunter war sie nackt. Eine Sekunde lang starrte ich gebannt auf die unerwartete Wölbung ihrer Brüste und den dunklen Haarbusch zwischen den knochigen Hüften. Ich wandte ihr den Rücken zu und betrachtete meinen Scheitel im Spiegel. Ich konnte sie immer noch nackt sehen, aber jetzt von hinten, als sie den Petticoat ausschüttelte, der in dem Rock hing.
» Ich bin so froh, dass du zu mir gekommen bist. Mir graute schon davor, noch einen Abend zu Hause zu verbringen und zuzusehen, wie Rex die Kinder anhimmelt.«
» Ich finde, du kannst von Glück sagen«, antwortete ich. » Ich hatte hier an zwei Abenden mehr Spaß als in drei Jahren zu Hause.«
» Das klingt wie eine, die mit ihrem Freund zusammenwohnt. Ist das so?«
» Ich habe keinen Freund, nur einen Ex«, sagte ich vergnügt. » Er hat letzte Woche Schluss gemacht, nachdem wir drei Jahre zusammen gewesen waren.«
» Ach, du armer Schatz. Hat er dir das Herz gebrochen?«
» Ehrlich gesagt, nein, das hat er nicht. War ein ziemlicher Schlag für sein Ego.«
Biba lachte. » Ich hatte eigentlich noch nie einen Freund, weißt du.«
» Was? Wieso nicht?« Es gelang mir, den naheliegenden Spruch über eine so schöne Frau wie sie herunterzuschlucken, und wartete mit angehaltenem Atem auf ihre Antwort.
» Ich hatte eine Menge Affären, aber nichts, was man wirklich als Beziehung bezeichnen könnte. Es verläuft einfach immer im Sande. Ich hab’s immer ungeheuer bewundert, wenn jemand so was hinkriegt.«
» Vielleicht hast du nur noch nicht den richtigen Mann getroffen.«
» Vielleicht.« Sie nickte.
Ich drehte mich langsam um und sah, dass sie angezogen am Fenster stand. Die Scheibe war halb verdeckt von einem durchscheinenden pfirsichfarbenen Abendkleid, dem feinsten Dinnerparty-Outfit einer Managersgattin in dem Sommer, in dem wir zur Welt gekommen waren. Sie schob eine Hand in die weite Chiffontrompete des Ärmels, und ihre Haut zerschmolz wie unter einem Weichzeichner. » Komm«, sagte sie. » Lass uns hier verschwinden.« Mit einem heftigen Ruck schob sie das Fenster hoch. Farbsplitter flogen durch die Luft und wehten wie Schneeflocken auf die Kleiderhaufen zu ihren Füßen herunter. Sie setzte sich mit dem Rücken zu mir auf das Sims vor dem zweiten Stock und stützte die Hände auf. Schwarz lagen Garten und Wald vor ihr, zum Greifen nah. Sie sprang und war verschwunden.
» Biba!« Sekundenschnell hatte ich die Stolperstrecke zum Fenster überwunden und streckte den Kopf hinaus. Ich musste hinunterschauen und wollte es nicht. Die Wölbung ihres Schädels war nur eine Handbreit unter meinem Kinn.
» Reingelegt«, sagte sie. Sie stand auf einem Balkon, dem das Geländer fehlte. Wie ein kleines steinernes Sprungbrett ragte er aus der Wand.
» Fuck, was soll denn das!«, sagte ich.
» Tut mir leid, aber ich kann es mir nie verkneifen.« Sie sprang auf die darunterliegende Terrasse, in ihren Flipflops unglaublich sicher auf den Beinen. » Vorsicht. Ist ein bisschen trickreich beim ersten Mal.«
Ich landete schwerfällig und hastete hinter ihr her, über die Balkonterrasse und von dort über die stählerne Wendeltreppe hinunter in den Garten. Die Umgebung war zwielichtig beleuchtet von Bibas Fenster, und die dunkleren, dichteren Pflanzen zerflossen mit dem Hintergrund. Die einzige sichtbare Kontur war der Bogen von Lavendelbüschen, der den Garten diagonal in zwei Hälften teilte: Selbst im Dunkeln sah ich sie
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