Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
um sich zu haben. Wir müssen eine Dinnerparty geben, um ihn in der Gemeinde willkommen zu heißen.«
Ich denke an die letzte Dinnerparty, auf der Rex und ich zusammen waren, das improvisierte Abendessen, das Nina gekocht hat, mit Biba, Tris und Jo. Dawns Essen wird förmlich und gestelzt verlaufen, und die Konversation wird sich nicht um Kunst und Reisen und Liebe drehen, sondern um Häuserpreise, Schulgebühren und Reality- TV – bis jemand feinsinnig und taktvoll Rex’ lange Abwesenheit anspricht. Ich glaube, es wird Zeit, dass wir uns eine Geschichte ausdenken.
Als ich nach Hause komme, sehe ich, dass die Essensvorbereitungen ohne mich angefangen haben. Alice und Rex haben die Hände bis an die Ellenbogen in einer Rührschüssel, und auf dem Tisch liegt ein eselsohriges Kochbuch. Überall ist Mehl, und ein Teppich aus Eierschalen bedeckt den Boden.
» Was macht ihr da?«, frage ich.
» Eine Quiche«, sagte Rex. Er hat einen Krümel Teig an der Nase, und seine Haare stehen senkrecht hoch wie die Spitzen bei steif geschlagenem Eischnee. » Das sollte eine Überraschung sein.«
» Ja, schön, es sollte aber auch nur zwanzig Minuten dauern.« Alices Tonfall und ihre verschränkten Arme lassen erkennen, dass sie die Schuld ganz allein ihrem Vater gibt. » Wir sind seit mindestens einer Stunde dabei, und es ist immer noch klumpig. Ich kann das nicht so schön glatt machen wie du.«
» Wir haben alles unter Kontrolle«, sagt Rex. » Komm schon, Alice. Wir schaffen das.« Seine Manschette hängt im Teig. Alice schnalzt missbilligend und fängt an, ihm den Ärmel aufzukrempeln. Er zieht den Arm weg, aber nicht schnell genug.
» Was ist da passiert?« Sie hält sein Handgelenk hoch und dreht es so, dass man die haarlose weiße Haut an seinem Unterarm sieht. Sie ist runzlig und schartig vernarbt. Wieso habe ich das gestern Abend nicht bemerkt?
» Ich bin mit heißem Fett bespritzt worden«, sagte er und rollt hastig den Ärmel herunter. » Ein Berufsrisiko bei der Arbeit in der Gefängnisküche.«
» Ich dachte, du hättest in der Bibliothek gearbeitet«, sage ich. Er hat die Manschette bis zu den Fingerknöcheln heruntergezogen.
» Ach, ich war nur eine Schicht da.« Er schaut weg.
» Das merkt man total«, sagt Alice. » Ich mein’s nicht unhöflich, okay? Aber ich glaube, von jetzt an koche ich mit Mum.«
Ich habe erst wieder Gelegenheit, seinen Arm zu untersuchen, als er schläft. Seine langgliedrige Gestalt ist zusammengekrümmt wie ein Fötus, als habe er Angst, zu viel Platz einzunehmen. Im Licht meiner Nachttischlampe ist es offensichtlich, dass die kleinen Krater aus rosarot glänzender Haut zu rund und zu regelmäßig sind, um das Resultat eines Unfalls zu sein. Er bewegt sich im Schlaf, als ich sein T-Shirt hochziehe. Er hat eine Narbe auf der Brust und noch drei auf dem Rücken. Ich kenne die Form; ich habe so etwas schon gesehen. Plötzlich sehe ich eine betrunkene Biba vor mir, wie sie eine Zigarette auf der Armlehne eines Ledersessels ausdrückt, und ich lasse Rex’ Arm so schnell fallen, dass er eigentlich aufwachen müsste. Einige der Brandwunden sind blass und ausgeblichen, aber andere sind tief und rot und sehen aus, als hätten Leute ihre Zigaretten mehr als einmal in seinem Fleisch ausgedrückt. Als sei dies monate- oder vielleicht jahrelang immer wieder vorgekommen. Ich spüre das vertraute, vergebliche Schuldbewusstsein, weil ich ihn nicht habe schützen können, solange er drinnen war. Meine Entschlossenheit, ihn jetzt, da er draußen ist, zu verteidigen, wird stärker. Ich lege einen Arm um die schlafende Gestalt.
» Oh, mein armes Baby«, flüstere ich. » Was haben sie da mit dir gemacht?«
Biba packte den Rand der Spüle und schwang sich hinauf, sodass sie auf der Kante saß. » Was willst du heute machen?«
» Ich muss zurück.« Emma hatte eine Hausbesprechung angesetzt, und ich wollte im relativ geringen Mittagsverkehr quer durch London fahren. Biba zog die Mundwinkel nach unten und schwang das Bein in einem trägen Tritt, der auf niemanden speziell zielte, nach vorn.
» Oh«, sagte sie. » Du wirst mir fehlen.«
» Ich lasse dir meine Nummer da«, sagte ich. » Du kannst mich anrufen, wann du willst. Hast du einen Stift?«
Biba wühlte in der Besteckschublade, bis sie einen schwarzen Eyeliner-Stummel gefunden hatte. Ich diktierte ihr die Nummer, und sie kritzelte sie an die Wand neben dem Telefon. Dann malte sie noch einen Stern und ein K neben die sieben Ziffern. Dort
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