Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
bemerkte mich plötzlich. Es war, als hätte ich etwas berühren müssen, um für ihn sichtbar zu werden.
» Wer ist diese Person?«, fragte er Rex.
» Dad, das ist Karen. Karen, das ist offensichtlich mein Vater, Roger Capel.«
» Was ist aus der Dicken geworden?«, fragte Capel.
» Okay, das reicht, wir gehen«, sagte Rex. Der Zorn verlieh ihm vorübergehend Autorität. Sein Finger fand den Knopf des Toröffners an der Gartenmauer unter dem Gestrüpp der Clematis, und das Tor öffnete sich langsam.
» Tut mir leid, dass du dich nicht freust, uns zu sehen. Aber wir müssen bald miteinander reden. Über das Haus.«
» Da gibt es nichts zu reden«, sagte sein Vater müde.
» Es ist unser Zuhause«, sagte Rex. » Wir haben sonst nichts.« Roger verschränkte die Arme. » Bitte«, sagte Rex. Seine Stimme klang spröde.
» Es tut mir leid, Rex. Wir haben es schon durchgesprochen. Das ist etwas, das wir uns nicht leisten können.«
Jedes Gespräch heute warf mehr Fragen auf, als es beantwortete. Ich war verwirrt, aber Biba wusste offenbar genau, worum es hier ging.
» Nicht leisten können?«, wiederholte sie schrill. » Was hat denn dieses Haus gekostet? Wie teuer war dieses Auto ?« Sie packte eine Gartenharke, die an der Wand lehnte. Ich stand wie angewurzelt da, hilflos vor Angst und dem grellen, schändlichen Verlangen zu erfahren, wie es weitergehen würde. Ich brauchte nicht lange zu warten. Mit überraschender Kraft hob Biba die Harke über den Kopf und ließ sie auf die Windschutzscheibe des roten Sportwagens niederfahren. Sie prallte von der Scheibe ab, und der Alarm ging los, ein hohes, schrillendes Trillern.
Der Lärm rief Jules Millar in den Vorgarten. Sie sah aus, als sei sie soeben einer ihrer Hochglanzanzeigen entstiegen. Alles an ihr sah frisch gewaschen aus, von den schwingenden blonden Haaren bis zu dem weißen Kleid, das sie trug. Roger Capel stellte sich schützend vor sie, als Biba die Harke noch einmal auf den Wagen schmetterte. Diesmal schlug sie eine Delle in die Scheibe, aus deren Mitte sich ein undurchsichtiges Gespinst von Rissen über die ganze Fläche ausbreitete. Aus einem Fenster im oberen Stockwerk kam das Weinen eines Babys, eine schrecklich dissonante Begleitung zum Gellen der Alarmanlage. Jules schaute vom Haus zum Auto, dann sah sie ihren Mann an.
» Ich rufe die Polizei, Liebling«, sagte sie.
» Nicht nötig«, sagte er. » Sie gehen schon.«
Rex trat von hinten an Biba heran. Ich stand nah genug neben ihnen, um seine Worte zu hören.
» Du hilfst uns nicht«, sagte er. » Komm. Ich regle das, ich versprech’s dir. Lass es gut sein.« Finger um Finger bog er ihre Hände auf und stellte die Harke an die Wand. Sie ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder, bevor sie sich von ihm durch das Tor nach draußen bugsieren ließ. Dort stürmte sie an einem gut gekleideten Mann um die vierzig vorbei, der eine Flasche Champagner in der Ellenbeuge trug. Vermutlich war es der Colin, den Roger Capel erwartet hatte, der Grund dafür, dass er seine Wachsamkeit vernachlässigt und uns das Tor geöffnet hatte. Vor dem Haus war es Roger inzwischen gelungen, den Autoalarm zum Schweigen zu bringen, und Colins Stimme hallte durch die Straße.
» Verflucht noch mal, Rog! Haben diese Kids deinen Audi so zugerichtet? Wer waren sie?«
Den langen Heimweg legten wir schweigend zurück. Ich hatte mich auf Tränen und dramatische Szenen gefasst gemacht und sogar auf die klaren Erhellungen gehofft, die sie vielleicht mit sich bringen würden, aber Biba war stiller, als ich sie je erlebt hatte. Der Rauch ihrer Zigaretten umgab sie wie ein Kraftfeld, in das ich nicht einzudringen wagte. Ich ließ sie vorneweg marschieren und folgte ihr mit Rex, und ich begann mit der am wenigsten drängenden Frage.
» Worum ging’s da bei dem Haus? Was hast du gemeint, als du gesagt hast, du wirst es regeln?«
» Das Haus gehört nicht wirklich uns«, sagte Rex. » Wir sind seine Mieter. Streng genommen stimmt auch das nicht, denn wir zahlen ihm keine Miete. Aber es läuft alles auf seinen Namen. Er war Mums nächster Verwandter, also gehört es ihm. Juristisch haben wir kein Anrecht darauf.«
» Aber er kann es sich doch offensichtlich leisten. Er braucht dieses Haus nicht.«
» Er sieht darin eine Zukunft für seine Familie.«
» Aber ihr seid seine Familie!«
» Nicht, wenn man das Interview gelesen hat.«
Als wir wieder an Kenwood House vorbeikamen, sahen wir anstelle der Familien jetzt
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