Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
Gruppen von Freunden und Liebespaare, Teens und Twens, und bei den Picknicks waren Bierdosen und Weinflaschen dazugekommen.
» Sie hat mir erzählt, er ist tot, weißt du?« Ich schaute auf meine Füße hinunter. » Warum hat sie das getan?«
Rex seufzte. » Es tut mir leid«, sagte er. » Wahrscheinlich wünscht sie, er wäre es. Das tue ich oft, weißt du. Ich habe daran gedacht, ihn umzubringen, und ich habe geträumt, dass ich es getan habe. Nicht dass es einen Sinn hätte, solange er das Haus nicht überschrieben hat. Wir wären dann auf jeden Fall obdachlos.« Er lächelte, um mir zu zeigen, dass er scherzte, und krempelte einen Hemdärmel hoch, der heruntergerutscht war; sorgfältig schlug er die Manschette zurück. » Es geht darum, dass wir ihn überreden, indem wir vernünftig sind und versuchen, die Beziehung zu ihm wieder aufzubauen. Aber das werden wir nicht schaffen, wenn sie herumläuft, seine Autos attackiert und ihn anschreit. Ich bin so wütend auf sie, dass ich sie auch umbringen könnte.«
Ich klemmte meine Lippen mit den Zähnen zusammen. Der phlegmatische, verhuschte Rex in mordgieriger Raserei– das war zu lachhaft, um es mir vorzustellen, ohne eine Miene zu verziehen, und ich wusste, wenn ich jetzt anfinge zu lachen, würde sich die ganze Anspannung dieses Tages in einem Lachkrampf Luft machen, den ich nicht beherrschen könnte.
Als wir wieder auf der Hampstead Lane waren, dämmerte der Abend, und der Verkehr ließ nach. Autos rauschten vorbei und legten die Strecke, für die wir fast den ganzen Tag gebraucht hatten, in Minuten zurück, und als wir in die Queenswood Lane einbogen, war es richtig dunkel, und die Straße hatte die Farbe von grüner Tinte.
Im Samtzimmer hockte Biba sich auf das Ende des Sofas, und Rex sank in den roten Sessel.
» Willst du darüber reden?« Etwas Besseres fiel mir nicht ein. Sie zuckte die Achseln.
» Warum hast du gesagt, er ist tot?«
» Hab ich nicht!«
» Hast du doch, Biba. Du hast mir erzählt, eure Eltern wären tot. Du hast sogar das Wort ›Waisen‹ benutzt. Da in der Bar. Als wir uns kennengelernt haben.«
» Oh.« Eine kurze Unterbrechung im Blickkontakt und ein kleines Achselzucken– mehr würde ich als Entschuldigung nicht bekommen. » Na, ich hatte getrunken. Und er könnte genauso gut tot sein. Anscheinend wünscht er uns aus der Welt, und da versuche ich das Gleiche mit ihm.«
» Und eure Mum…?«
» Ja, gut. Was sie angeht, stimmt’s. So was würde ich nicht erfinden. Es ist das Schlimmste, was uns je passiert ist.«
» Es tut mir leid, dass du es aus einer Zeitung erfahren musstest«, sagte Rex. Ich erstarrte. Seit wann wusste er, dass ich die Schachtel unter seinem Bett durchwühlt hatte? Dann begriff ich, dass er von dem Magazin redete, das ich immer noch in der Hand hielt. » Ich hatte angenommen, du weißt es.«
» Es kann nicht leicht sein, darüber zu reden«, sagte ich. » Und es tut mir leid. Wirklich. Es tut mir so leid.«
» Fuck, hör auf, dich zu entschuldigen«, sagte Biba. » Es war doch nicht deine Schuld. Wir alle wissen, wessen Schuld es war.« Sie funkelte Rex an, und der schaute zu Boden.
Ich sprach den Gedanken aus, mit dem ich seit einer Stunde spielte. » Ich bin sicher, ihr könntet euch einen Anwalt besorgen, der ihn zwingt, euch das Haus zu überschreiben«, sagte ich. » Da muss es doch Präzedenzfälle geben. Es ist schließlich das Heim eurer Kindheit. Da müsst ihr gewisse Rechte haben. Er ist ja nicht arm.«
Ich erwartete Bewunderung für diesen Geistesblitz. Stattdessen sah ich bestürzt in zwei entsetzte Gesichter.
» Aber er ist unser Dad«, sagte Biba. » Wir können ihn doch nicht vor Gericht zerren. Wer verklagt denn seinen eigenen Vater?«
Rex nickte.
» Aber ihr könntet das Haus bekommen.« Ich ließ nicht locker. » Ihr hättet Sicherheit für den Rest eures Lebens, wenn er euch das Haus gäbe.«
» Ja«, sagte Biba. » Aber dann würde er uns ganz bestimmt nicht mehr lieben.«
In dieser Nacht lag ich wach auf der rechten Seite im Bett. Blutergüsse sind nachtaktiv, genau wie ein Sonnenbrand, und der an meinem linken Oberschenkel wachte auf, als ich einschlafen wollte– ein weiches, dunkles Mal zum Andenken an die Jagden und Enthüllungen dieses Tages. Ich hatte immer gedacht, » bedingungslose Liebe« beschreibt die Hingabe der Eltern an ihre Kinder, nicht umgekehrt. Man hat von Müttern gehört, die nicht aufhören können, ihre Söhne zu lieben, obwohl sie Vergewaltiger sind,
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