Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
Schauspieler, die der Mann vertrat, waren mir bekannt aus Krimi- und Krankenhausserien im Lokalfernsehen.
» Wann hast du es erfahren?«, fragten Rex und ich gleichzeitig.
» Buchstäblich, als der Vorhang gefallen war. Er kam geradewegs auf mich zu und sagte, er will mich vertreten. Fuck … Besser hätte es nicht laufen können. Ohne Warten, ohne Anspannung, einfach so.«
Für sie, aber nicht für mich und Rex; das dreistündige Warten in der Bar war uns endlos erschienen.
» Und ohne dich hätte ich es nicht geschafft«, sagte sie zu mir. » Vielen, vielen Dank.« Sie drückte mir einen Portweinkuss auf die Wange. » Es tut mir leid, dass ich euch nicht gesucht habe. Ich hab mich mit Guy verplaudert und die Zeit vergessen. Aber dann hab ich hier auf euch gewartet. Ihr habt ja eine Ewigkeit gebraucht.«
» Guy?« Der Name kam mir bekannt vor, aber ich hatte kein Gesicht dazu vor Augen.
» Du kennst doch Guy. Kann ich ’ne Kippe schnorren, Schätzchen?«
Der blonde Mann murmelte seinen Kollegen etwas zu, wechselte einen flüchtigen Händedruck mit ihnen, und sie schlurften in die Nacht hinaus. Nur der Hund sah sich noch einmal um.
Aus der Nähe erkannte ich ihn: Er war der geheimnisvolle Wohltäter, der mir an Bibas Geburtstag das Ecstasy geschenkt hatte. Guy griff in eine der vielen Taschen an seiner voluminösen Kaki-Jacke– sie war viel zu dick für eine so warme Nacht, und ich fragte mich, was er wohl in den verschiedenen Taschen aufbewahrte– und holte eine Packung Marlboro Lights heraus.
» Danke, Schätzchen«, sagte sie, als er ihr Feuer gab. » Ich bin fast gestorben ohne meine Zigaretten.«
Biba starb dauernd. Sie starb vor Durst, starb vor Langeweile, starb ohne eine Zigarette. Mit Schaudern erinnere ich mich an diese Redewendung.
Guy nahm unsere Anwesenheit mit einem Grunzen zur Kenntnis. Ich fragte mich, ob er jemals sprach. Oder ob er auch bei Tageslicht auftrat.
» Guy war in der Aufführung«, sagte Biba, » und er kommt noch mit nach Hause auf einen Joint, stimmt’s?«
Ich wartete darauf, dass Rex protestierte, aber stattdessen streckte er mir seine Hände entgegen.
» Ich habe nicht viel getrunken«, sagte er, und ich warf ihm den Autoschlüssel zu. Als er die Wagentür öffnete, war es in der relativ kühlen Nachtluft, als stände man vor einem offenen Ofen.
» Du wirst vorn sitzen müssen, Alter«, sagte Rex zu Guy. Ich verzog peinlich berührt das Gesicht: Wenn Rex » Alter« sagte, war es, als behaupte mein Dad vor meinen Freunden, er stehe auf Dance Music. Biba und ich quetschten uns zusammen auf den Rücksitz, und Guy und Rex schoben die Vordersitze nach hinten, so weit es ging. Während der ganzen Fahrt sprach keiner der beiden. An der Ampel bei Swiss Cottage trommelte Rex ungeduldig auf dem Lenkrad herum, und dann fuhr er in einem zu hohen Gang durch Frognal bergauf und weiter durch Hampstead Heath. Endlich fand ein Windhauch den Weg durch die offenen Fenster. Biba flocht ihre Finger zwischen meine und sprach flüsternd mit mir.
» Heute Nacht hab ich Glück, ich schwör’s dir«, sagte sie. Sie ließ meine Hand wieder los und streichelte Guys Nacken. » Ich bin froh, dass du da bist, um Rex abzulenken. Er ist in diesen Dingen manchmal ein bisschen komisch. Du kannst noch ein bisschen bei uns bleiben und rauchen, aber du hast doch nichts dagegen, dann zu verschwinden, oder?«
Rex parkte den Wagen unmittelbar vor dem Haus. Die Reifen auf der rechten Seite standen auf der doppelten gelben Linie.
» Erinnert mich daran, dass ich ihn gleich morgen früh wegstelle«, sagte er und polterte vor uns ins Haus. Er hielt mir die Haustür auf, ließ sie dann aber zurückschwingen, als Biba und Guy hinter uns die Treppe heraufkamen. Sie wäre vor ihrer Nase zugeschlagen, wenn sie an dem kaputten Schloss nicht zurückgeprallt wäre. Die beiden waren bereits zu einer körperlichen Einheit geworden. Sie waren so sehr ineinander verschlungen, wie es möglich war, ohne dass das Gehen unmöglich wurde, aber es sah aus, als nähmen sie an einem dreibeinigen Rennen teil.
Im Samtzimmer zündete Rex die Kerzen an, und Guy ließ sich mit Biba auf einem blank gescheuerten Sitzsack aus Cord nieder, der einmal orangegelb gewesen war. Ich konnte sehen, dass er einen Reiz auf sie ausübte, der über die Verlockungen von Gratisdrogen hinausging. Er sah außergewöhnlich gut aus, auf eine offensichtliche, unmittelbare, beinahe einschüchternde Weise. Seine Schönheit schlich sich, anders als die
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