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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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Kunstlosigkeit, die überraschend attraktiv wirkte.
    » Heute hat unser kleines Mädchen seinen großen Abend, hm?« Er drückte meinen Arm. Das Publikum schlurfte im Gänsemarsch in den Zuschauerraum, und er sah sich verzweifelt um. Ich sah, dass er vier Karten in der Hand hielt. » Er kommt nicht, oder? Lass uns reingehen.«
    Wie eine stolze Mutter hatte ich schon vor ihrem Auftritt entschieden, dass sie großartig sein würde. Und wie einer stolzen Mutter fehlte mir jegliche Objektivität. Für mich war die Tatsache, dass meine Freundin auf der Bühne stehen würde, schon faszinierend, bevor sie dort stand. Und ich hatte keine Ahnung vom Theater. Wie wollte ich erkennen, was gut und was schlecht war?
    Ich sah, dass sie Bühnenpräsenz hatte, dass sie die Rolle ausfüllte und dass sie die Umlaute endlich gemeistert hatte, aber davon abgesehen fiel es mir schwer, mir eine Meinung zu bilden. Das Stück selbst war ein dermaßen in sich befangenes Drama– mit absurden Dialogen und einer zusammenhanglosen Handlung–, dass es unmöglich war, die hölzernen Schauspieler von den Naturtalenten zu unterscheiden.
    » Wie findest du’s?«, fragte Rex mich in der Pause.
    » Ich finde sie brillant.«
    » Tatsächlich?«, fragte er. » Ganz unter uns, ich kann es wirklich nicht sagen. Ich habe keine Ahnung, was irgendeiner von denen da vorn treibt. Lauter Ideen und keine vernünftige Geschichte, oder? Die Personen existieren alle nur, um ein Argument vorzubringen, statt sich zu entwickeln oder irgendwo hinzugehen. Das ist nicht das, was ich unter einem Plot verstehe.«
    » Ich habe dieses Stück im Studium behandelt.«
    » O Gott, entschuldige.« Rex bat um Verzeihung, als hätte ich das Stück selbst geschrieben.
    » Entschuldige dich nicht. Ich kapier’s ja eigentlich auch nicht.«
    Im zweiten Akt wurde auf einer weißen Treppe vor einem gemalten Meerespanorama ausgiebig posiert, und ich legte mir unterdessen meine Gratulationsrede zurecht und fragte mich, wie ich sie am besten loben könnte, ohne mich zu verplappern.
    » Wie geht es jetzt weiter?«, fragte ich Rex.
    » Na ja. Es sind eine Menge Agenten hier, und die werden alle versuchen, sich Studenten zu greifen. Hoffen wir. Wenn sie heute Abend nicht angesprochen wird, ist die Frage, ob es sich lohnt, auf einen Anruf zu warten. Keine Situation, auf die ich besonders scharf bin. Ich schätze also, alle sind backstage. Trotzdem. Du erträgst meine Gesellschaft doch noch für eine Stunde, während wir warten, oder?«
    Aus der einen Stunde wurden zwei, und nach und nach leerte die Bar sich. Manche Schauspieler waren am Boden zerstört, andere begeistert, als sie zu zweit, mit Eltern oder Partnern, das Theater verließen. Rachael war da, ihr weißblondes Haar kürzer und blonder denn je. Sie sah aus wie eine Glühlampe in dieser schmuddeligen schwarzen Bar.
    » Rex«, sagte sie, » wie fandest du’s?« Sie küsste die Luft zu beiden Seiten seiner Ohren.
    » Gut fand ich es«, sagte er. » Wirklich, wirklich gut gemacht.« Rachael sah mich erwartungsvoll an.
    » Ja, gut gemacht«, sagte ich. » Dich habe ich überhaupt nicht erkannt.«
    » Das nehme ich als Kompliment«, sagte sie und wandte sich an Rex. » Gibt’s bei euch noch so was wie ’ne Aftershow-Party?«
    Rex klapperte mit den Lidern. » Nicht dass ich wüsste«, sagte er. » Hat Biba backstage davon gesprochen? Ich meine, wir könnten, aber wir haben nichts im Hause, und…«
    » Nein, ich hatte bloß drauf gehofft. Biba hat überhaupt nichts gesagt.« Rachael zwinkerte. » Wo ist sie eigentlich?«
    » Ist sie nicht hinter der Bühne?«, fragte Rex.
    » Schwer zu sagen, Schätzchen.« Rachael verlor allmählich das Interesse an uns. » Da ist ein ziemliches Gedränge. Leute, ich muss gehen. Wir müssen uns bald mal wiedersehen, ja?«
    » Wen hat sie gespielt?«, fragte ich Rex, als sie außer Hörweite war.
    » Keine Ahnung«, sagte er.
    Wir waren wie zwei nervöse Eltern, die verzweifelt den Drang bezwingen, ihre Tochter zu suchen, um sie nicht vor ihren Freundinnen in Verlegenheit zu bringen. Wir warteten, bis das Foyer leer und voller Echos war. Unser Small Talk hallte zaghaft von den Wänden aus Beton und Glas wider. Eine Bronzetafel verriet mir, dass das Theater 1969 von einer Schauspielerin, einer geadelten sogar, eröffnet worden war. Ich hatte aber noch nie von ihr gehört. Ich sah mich und Rex in einem konvexen Spiegel, der an einem viereckigen Pfeiler hing, und ich versuchte, uns zu sehen, wie andere

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