Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
Stück Waldland, eigentlich ein Forst, ein gepflegter, beschnittener Buschwald, anders als das Naturschutzgebiet in Queen’s Wood. Schon die Kiefern sind anders, und das Gelände ist zehnmal so groß. Aber Rex nimmt es anscheinend in Besitz. Er sieht dort nie jemanden. Im Sommer, wenn die Kids aus der Umgebung sich da versammeln, wird es anders sein, aber jetzt hängen sie ganz zufrieden vor der Dönerbude herum, und die Bäume gehören alle Rex. Manchmal geht er bis ans Meer, und dann wieder schaut er sich das Baugelände an, auf dem bald eine Luxuswohnanlage zwischen unserem Dorf und der Küste entstehen wird. Es ist wichtig, dass er allmählich so etwas wie Besitzergefühle und Kenntnisse über diese neue Ecke von England entwickelt, denn wir hoffen, dass er hier für den Rest seines Lebens zu Hause sein wird. Ich weiß noch, dass ich erst wirklich und wahrhaftig nach Highgate gehörte, als ich Queen’s Wood für mich selbst erforscht und kartografiert hatte.
Bevor er weggeht, zwinge ich ihn, mir genau zu sagen, wann er wieder nach Hause kommt. Er mault und findet, dass ich ihn wie ein Kind behandle, aber er tut mir den Gefallen: Bis jetzt ist er immer pünktlich oder zu früh zurückgekommen. Und obwohl ich mir Sorgen um ihn mache, wenn er weg ist, brauche auch ich diese Zeit. Es tut mir gut, jeden Abend ungefähr eine Stunde für mich zu haben, die Arbeit zu erledigen, auf die ich mich nicht konzentrieren kann, wenn er auf Zehenspitzen durch das Haus schleicht, oder auch einfach nur stumm da zu sein und mit niemandem zu sprechen. Ich gieße mir mein erstes Glas Wein ein, sowie er zur Tür hinaus ist, und es ist immer leer, wenn ich seinen Schlüssel im Schloss höre.
Ich schalte den Computer ein. Er schmollt ein paar Sekunden lang, weil er gestern so abrupt ausgeschaltet worden ist. Der Bildschirm bleibt eine Zeit lang schwarz, und nur das Wort » Analog« blinkt in einer primitiven, roboterhaft aussehenden Schrift. Dann stellt er sein vorwurfsvolles Verhalten ein, und der vertraute Desktop erscheint. Ich suche nach Alison Larch und frage mich dabei, ob Journalisten ihre Nachforschungen auch mit Google beginnen oder ob sie sich geradewegs zu den geheimnisvollen, halb offiziellen Quellen und Datenbanken begeben, die ihnen zur Verfügung stehen. Ich brauche keine geheimen Akten und versteckten Kataloge. Schon mit meinem ersten Treffer habe ich Glück. Alison Larch hat eine eigene Website, auf der alle Dokumentarberichte aufgeführt sind, an denen sie als Rechercheurin, Cutterin, Autorin, Regisseurin oder Produzentin beteiligt war – für Leute in ihrer Branche müssen die Unterschiede zwischen all diesen Jobs etwas bedeuten. Ein oder zwei Titel kommen mir bekannt vor; einmal geht es um kosmetische Chirurgie an Teenagern, einmal um eine überkonfessionelle Schule in Nordirland. Sie hat eine interessante Karriere hinter sich, in der sich ein harter Faktenjournalismus mit massentauglicher Sensationsberichterstattung mischt. Ein Klick auf den Button mit der Aufschrift » Aktuelle Projekte« öffnet ein neues Fenster, und ich lese, dass Alison Larch zurzeit als freie Mitarbeiterin für Channel Four tätig ist. Das kann alles Mögliche heißen. Als ich das Fenster schließe, bin ich stärker beunruhigt, als ich es wäre, wenn ich etwas Eindeutiges erfahren hätte. Ich gebe meine eigene Telefonnummer ins Suchfenster ein, aber das bringt keinen Treffer. Auch das muss nicht viel heißen. Jeder, der weiß, in welcher Branche ich arbeite, kann über meine Agentur sämtliche Details in Erfahrung bringen. Ich muss sie morgen anrufen und ihnen sagen, sie sollen meine Telefonnummern und meine E-Mail-Adresse nicht herausgeben. Ich werde ihnen erzählen, ich sei telefonisch belästigt worden. Das ist eigentlich nicht mal gelogen. Ich rufe meine E-Mails ab; es ist immer noch dieselbe Adresse, die ich schon als Studentin hatte. Neben der üblichen Werbung für Penisvergrößerungen und Bingo-Websites habe ich eine Erinnerung an das Erntedankfest an Alices Schule und einen Witz, den mein Dad an mich weitergeleitet hat.
Ich ermittle detektivisch gegen meine eigene Familie und stelle fest, wonach Alice und Rex gestern gesucht haben. Ein Blick in die Suchchronik verrät mir, dass es nichts Unheilvolleres als der Starttermin für den neuen Harry-Potter-Film war. Ich überlege, ob ich Eintrittskarten bestellen soll, aber ich habe keine Lust, noch mehr Teenagerzauberei über mich ergehen zu lassen. Rex haben die DVD s, die er sich
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