Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
immer erweckte sie den Eindruck, als sei dies ein Trend, der sich wie verrückt durchsetzen würde.
» Wo gehst du hin?«, fragte Rex.
» Auf eine Party mit Guy«, sagte sie. Davon hörte ich zum ersten Mal. » Wir werden abgeholt. Der Wagen wartet draußen. Schade, dass für euch beide kein Platz mehr ist, aber ihr wollt bestimmt sowieso lieber allein sein.« Tatsächlich hätte ich nichts lieber getan, als mit Biba auf eine Party zu gehen. Es traf mich tief, dass ich nicht eingeladen war, aber ich war zu stolz, um sie darum zu bitten.
Ich versteckte mich hinter einem der Saris, die immer noch vor dem vorderen Fenster hingen, und spähte auf die Straße hinaus, wo Biba unelegant auf den Rücksitz eines lädierten schwarzen Sportwagens kletterte. Es wäre eng geworden, aber neben ihr wäre noch Platz für mich gewesen. Das Gesicht des Fahrers war von einer Baseballkappe verdeckt, und Guy drehte auf dem Beifahrersitz einen Joint. Er schaute zum Haus herauf, und ich zog mich hinter die rosa und lila Seide zurück wie eine schüchterne Braut hinter ihren Schleier.
Es war das erste Mal seit Tagen, dass wir das Haus für uns allein hatten, und die Enttäuschung darüber, zurückgelassen worden zu sein, verschwand bald hinter einer kribbelnden Vorfreude. Rex und ich könnten jetzt nackt durch das Haus spazieren und in jedem Zimmer spontan miteinander schlafen. Aber er fing sofort an, die Zeit mit Hausarbeit auszufüllen. Wenn er Guy schon nicht körperlich aus dem Haus vertreiben konnte, würde er wenigstens die gemeinsamen Räume von seinem Müll befreien. Mit grimmiger und konzentrierter Entschlossenheit, die keinen Platz für Verführung ließ, machte er sich an die Arbeit. Guys Sachen zeichneten ein genaues Porträt seiner Persönlichkeit und seiner Prioritäten. Jeans, Laufschuhe. T-Shirts, die wie zum Trocknen über Stuhllehnen hingen. Aber alles stank nach kaltem Zigarettenrauch. Man konnte sehen, welche CD s Guy gehörten: Sie waren die einzigen, die noch in ihren Plastikhüllen steckten, und sie lagen mit den anderen auf dem Stapel. Eine Zwölferpackung gerippte Kondome enthielt nur noch eins. Zerfledderte Ausgaben des New Musical Express waren noch heil, aber an der Hochglanz-Musikzeitschrift Mixmag war die untere linke Ecke des hinteren Umschlags abgerissen, um daraus Filter für Joints zu machen. Die Heftseiten hatte er sorgfältig um die Abbildungen von Albumcovers herum zerschnitten, um daraus kleine Umschläge für Speed oder Kokain zu machen, oder was er in dieser Woche sonst gerade in den Fingern hatte. Aus einer Glas-Bong, wie man sie in den Headshops am Camden Market kaufen konnte, war anscheinend noch nie geraucht worden; die aus einem Kugelschreiber und einer alten Cola-Flasche, in der noch ein Rest schmutziges Wasser stand, selbst gebaute Haschischpfeife, die er stattdessen benutzte, wanderte geradewegs in die Mülltonne. Alles andere türmte sich auf Rex’ Armen. Er sammelte Guys Besitztümer im ganzen Haus zusammen und breitete sie auf dem Küchentisch wie zu einer Art Kim-Spiel aus– eigentlich ganz angemessen, denn ich erinnere mich noch heute mit absoluter Klarheit an diese identifizierenden, belastenden Gegenstände. Wir packten den ganzen Kram in eine schwarze Nike-Sporttasche– die ebenfalls Guy gehörte– und warfen sie in Bibas Zimmer in die Ecke. Er hat sich nie die Mühe gemacht, sie wieder auszupacken. Soweit ich weiß, hat er die Tasche ebenso wenig bemerkt wie die Abwesenheit seiner Sachen im restlichen Teil des Hauses.
An diesem Abend schliefen wir zum ersten Mal ein, ohne vorher miteinander zu schlafen. Ich lag neben ihm und sah, wie das Weiße in seinen Augen im Dunkeln glitzerte, aber als ich die Hand ausstreckte, um ihn zu berühren, drehte er sich auf die Seite und tat, als schlafe er. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war er nicht mehr da. Es war einer der seltenen bewölkten Tage, und meine Stimmung passte zum Wetter. Drei leere Tassen auf dem Tisch im Samtzimmer verrieten mir, dass er schon lange vor mir aufgestanden war. Er ging auf der Balkonterrasse auf und ab. Seine Schritte machten kein Geräusch auf dem grün und bronzefarben schillernden Vorhang, der die Schichten von Bettdecken auf dem Boden bedeckte, aber man hörte ein Scharren, wenn seine Absätze Kontakt mit dem offenen Stein an beiden Enden des Stoffes bekamen. Noch nie hatte ich jemanden tatsächlich auf- und abgehen sehen, das heißt, jemanden, der immer wieder auf demselben Abschnitt hin und her
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