Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
Vom Netzwerk:
dröhnender Stimme: »Sie arbeiten in der Bäckerei Dunkel?«
    »Ja.«
    »Dann habe ich einige Fragen an Sie.«

9 GIFTIGE TINKTUR
    Das Verhör fand in der Küche statt, die sich am Ende des Korridors befand. Um diese Zeit war hier noch nicht viel los. Der Inspektor schickte eine Magd, die gerade dabei war, Kohl zu putzen, hinaus und deutete auf den mächtigen, rautenförmigen Eichentisch in der Mitte.
    »Setzen Sie sich.«
    Pistoux blickte sich rasch um. Er befand sich in der vollausgestatteten, geräumigen Küche eines Großbürgerhauses. Es gab eine Holzfeuerstelle mit großem Kaminabzug darüber und zusätzlich einen breiten, mit allerlei Verzierungen versehenen Gasherd, daneben ein zusätzlicher Backofen. Neben der Feuerstelle hingen zahlreiche Fleischspieße in einem Eisengerüst. Pfannen, Töpfe und Kasserollen türmten sich auf den Regalen, Schöpfkellen und Siebe hingen an den Wänden, alle Arten von Geschirr stapelten sich überall, Tongefäße, Flaschen, Bottiche und Fässer standen in den Ecken herum, ebenso mit Gemüse und Obst gefüllte Körbe, Schütten, Säckchen, Mörser, Krüge – es war das Paradies für einen leidenschaftlichen Koch. Über einem einfachen Arbeitstisch neben dem Herd entdeckte Pistoux die ganze Messerpalette: Vom Schälmesser über die Couture du chef bis hin zu Ausbein- und Tranchiermesser war alles vorhanden. Unwillkürlich zuckte seine Hand in ihre Richtung. Er sehnte sich danach, endlich einmal wieder etwas anderes zubereiten zu dürfen als immer nur Brote, Kuchen und sonstige Backwaren. Was war es doch für ein wundervolles Gefühl, die geschmeidige Klinge eines Filetiermessers über den Wetzstahl zu streichen, sodass die Klinge in Windeseile scharf genug wurde, um einen darauf fallenden Bindfaden einfach zu zerteilen.
    »Das würde ich Ihnen nicht raten!«
    Pistoux fuhr erschrocken herum.
    »Was?«
    »Lassen Sie die Messer, wo sie sind. Ich verfüge über eine Schusswaffe«, sagte Wanner und klopfte sich dabei auf eine Stelle unter seinem Mantel, wo sich möglicherweise eine Pistole befand.
    »Es ist nur …«, sagte Pistoux. »Ich war einfach fasziniert. Mein eigenes Arbeitsgerät ging auf meinen Reisen verloren …«
    »Setzen Sie sich bitte!«, verlangte der Polizist.
    »Um was geht es?«
    »Ich bitte Sie, sich erst einmal zu setzen.« Wanner zog einen Stuhl vom Tisch weg und nahm sich einen anderen. Er wartete, bis Pistoux sich gesetzt hatte, und nahm dann ebenfalls Platz.
    »Sie bezeichnen Messer als Ihr Arbeitsgerät?«, fragte Wanner, während er den Homburg abnahm, ihn verkehrt herum auf den Tisch legte und seine Handschuhe hineinwarf.
    »Ja, ich bin Koch.«
    »Sagten Sie nicht, Sie seien Bäcker?«
    »Ich arbeite zurzeit in der Bäckerei Dunkel.«
    »Als Geselle?«
    »Gewissermaßen ja.«
    »Dann sind Sie Bäcker.«
    »Als Koch verstehe ich mich selbstverständlich auch aufs Backen.«
    »Aber wenn Sie kein Bäckergeselle sind, dürfen Sie gar nicht in Nürnberg arbeiten. Das wird die Bäckerinnung niemals zulassen.«
    »Danach hat mich keiner gefragt.«
    »Auch Bäckermeister Dunkel nicht?«
    »Nein.«
    »Nun gut, darum geht es hier eigentlich nicht.«
    Der Inspektor machte eine Pause. Pistoux sah den massigen Beamten mit dem dichten schwarzen Schnurrbart an. Er machte einen gequälten Eindruck, hatte aber wache Augen. Pistoux war aufgefallen, dass er einen anderen Dialekt sprach als die Einheimischen.
    »Darf ich fragen, um was es sich dreht?«
    Auf Wanners Gesicht erschien die Andeutung eines Lächelns.
    »Sie dürfen nicht. Aber ich werde es Ihnen zum gegebenen Zeitpunkt mitteilen.«
    »Hören Sie …« Pistoux beugte sich nach vorn, wollte protestieren, aber Wanner hob warnend die Hand.
    »Was führt Sie ins Königreich Bayern?«
    »Es war reiner Zufall, dass ich nach Nürnberg kam. Ich bin auf dem Weg nach Hamburg, wo mich eine Stelle in einem Hotel erwartet.«
    »Von woher kommen Sie?«
    »Aus Straßburg, vorher war ich in Wien.«
    »In Wien?«, fragte Wanner interessiert.
    »Ja, dort habe ich als Kellner und Koch gearbeitet.«
    Wanner fuhr mit der Hand in die Manteltasche, zog etwas Längliches hervor und warf es auf den Tisch. »Was ist das?«, fragte er.
    Pistoux griff danach und besah sich das Ding.
    »Eine Käswurst, würde ich sagen. Hab ich bislang nur in Wien gesehen. Gibt es die auch in Nürnberg?«
    »Sie werden aus Wien importiert«, sagte Wanner zufrieden. »Darf ich?« Er hielt Pistoux die Hand hin und nahm die Wurst wieder in Empfang. »Mein

Weitere Kostenlose Bücher