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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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Mittagessen.«
    »Was habe ich mit dieser Käswurst zu tun?«, fragte Pistoux ungeduldig.
    »Langsam, langsam.«
    »Warum werde ich verhört?«
    »Alles zu seiner Zeit. Sie sind also Franzose?«
    »Ja, ich komme aus Nizza, habe einige Zeit in England verbracht, dann auf einem Kreuzfahrtschiff auf dem Mittelmeer, bin nach Sizilien verschlagen worden, habe in Wien gearbeitet, das Elsass bereist und …«
    »… sind nun auf dem Weg nach Hamburg.«
    »Ja. Und da mein Geld nicht ausreicht, habe ich eine Arbeit angenommen.«
    Wanner nickte verständnisvoll und beugte sich nach vorn. Er zog die buschigen Augenbrauen zusammen und fragte: »Nun gut, wie verhält es sich also mit den Lebkuchenherzen?«
    »Lebkuchenherzen?« Pistoux spürte, wie Wanner ihn scharf ansah, als wolle er jede noch so winzige Veränderung seines Gesichtsausdrucks wahrnehmen.
    Wanner lehnte sich zurück. »Sie backen doch Lebkuchen mit Bäckermeister Dunkel? Es heißt, seine Lebkuchen seien ganz ausgezeichnet.«
    »Sie sind es wirklich.«
    »Und die Herzen sind ganz besonders schmackhaft.«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wie? Das wissen Sie nicht?«
    »Seit ich in der Bäckerei bin, wurden keine Lebkuchenherzen mehr gebacken.«
    »Sieh mal an, warum denn nicht?«
    »Es werden eher andere Formen verlangt. Weihnachtsmänner, Pferde, Rentiere mit Schlitten, vor allem Tiere.«
    »Sie haben also nie mit dem Bäcker Lebkuchenherzen bereitet?«
    »Nein.«
    »Und auch keins probiert?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich probiere nicht alles, was in der Bäckerei gebacken wird.«
    »Nein?«
    »Nein, schon gar nicht Lebkuchenherzen.«
    »Warum schon gar nicht?«
    »Weil keine mehr da sind. Sie sind alle verkauft. Einige wurden sogar gestohlen.«
    »Wurden gestohlen?« Wanner beugte sich langsam nach vorn und legte die breiten Hände zusammen.
    »Ja, die Bäckerei wird immer wieder von Dieben heimgesucht.«
    »Sieh mal an. Und die haben sicherlich auch die Tinktur mit dem Amygdalin mitgenommen?«
    »Was für eine Tinktur?«
    »Amygdalin wird aus den Kernen von bitteren Mandeln, Aprikosen und Pfirsichen gewonnen.«
    »Ein Gift?«
    »Ganz recht. Mit diesem Gift hat Bäckermeister Dunkel seine Lebkuchenherzen getränkt. Ein kleiner Junge wurde im Stadtgraben gefunden. Vergiftet. Er hatte ein Stück von einem Lebkuchenherz im Mund. Und Herr Ehrenhoff, seines Zeichens Ratsherr, verdienter Bürger und wohlhabender Kaufmann – Sie befinden sich hier in seinem Haus –, wurde ebenfalls mit einem Lebkuchenherz vergiftet. Es war das gleiche Herz. Und die Bäckerei Dunkel beliefert die Ehrenhoffs mit Lebkuchen.«
    »Aber das ist doch lächerlich. Warum sollte er seine besten Kunden vergiften?« Pistoux bemerkte wieder den durchdringenden Blick des Inspektors und spürte, dass dieser Mann offenbar mehr Fähigkeiten hatte, als sein plumper Körper vermuten ließ.
    »Ja, eigenartig, nicht? Aber mich verwundert auch, dass Sie ihn verteidigen.«
    »Ich habe ihn als wohlanständigen Menschen kennen gelernt und achte ihn als Handwerker.«
    »Goldene Worte«, sagte Wanner.
    »Warum sollte ich ihn nicht verteidigen?«
    »Weil Sie sich damit selbst ins Zwielicht rücken,«
    »Aber ich sagte doch schon, dass ich keine Lebkuchenherzen gebacken habe und dass keine mehr übrig waren.«
    »Wir haben aber noch eine Schachtel mit Lebkuchenherzen gefunden in der Bäckerei Dunkel.«
    »Nun, und was beweist das mitten in der Weihnachtszeit?« Pistoux ärgerte sich allmählich über die behäbige Hartnäckigkeit des Inspektors.
    »Eines davon roch stark nach Bittermandeln«, sagte Wanner.
    Pistoux wäre beinahe empört aufgesprungen, hielt sich aber im letzten Moment zurück. »Amygdalin?«, versuchte er möglichst ruhig zu fragen.
    Inspektor Wanner nickte. »Ich habe den Bäcker verhaften lassen.«
    »Sie haben ihn verhaftet? Aber das kann doch nicht …«
    »Vielleicht ist er ja dennoch unschuldig. Wenn Sie ihn wirklich so sehr schätzen, wie Sie behaupten, können Sie ihn jetzt unterstützen, indem sie sein Geschäft weiterführen. Ich glaube, seine Frau hofft sehr, dass sie das tun werden.«
    Wanner stand auf und griff nach seinem Hut.
    »Sie werden der Innung keine Meldung erstatten?«, fragte Pistoux.
    »Die Kriminalpolizei hat keine Innung«, sagte Wanner, setzte sich den Hut auf und verließ die Küche.
    Eine Weile saß Pistoux wie betäubt da, dann zog er sich den Mantel über und ging nach draußen zu seinem Handwagen.
    Als er die Deichsel in die Hand nahm, um loszugehen, tauchte

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