Das gläserne Paradies
bevor ich eine neue Lieferung Bücher bekomme. Soll ich deswegen mein Leben als ewiges Jammertal betrachten? Nein, ich versuche statt dessen, mit dem Nachlaà anderer Leute würdig umzugehen. Und das sollten Sie auch tun! Arbeiten Sie sich in Ihr neues Gebiet ein. Verwalten Sie das, was Ihr Kollege Ihnen hinterlassen hat, mit Sorgfalt! Dann haben Sie Ihren verantwortungsvollen Posten wirklich verdient.«
»So habe ich das noch gar nicht gesehen â¦Â« David hob und senkte den Kopf, wie ein Gaul, der auf zu hartem Stroh kaute.
Sawatzky nickte grimmig.
»Und nun zum nächsten Punkt: Wenn Sie sich wirklich Sorgen um Wanda machen, lassen Sie sich bei Ihrem nächsten Besuch in Lauscha einfach nicht mehr von dem Dienstmädchen abweisen. Sie sind doch kein Hausierer, dem man die Tür vor der Nase zuschlägt! Sie â«
Weiter kam er nicht, denn David schnappte seinen Hut und rià seine Jacke so schwungvoll vom Stuhl, daà dieser heftig wackelte.
»Sie haben recht! Herrgott, ich werde es doch noch mit einem Dienstmädchen aufnehmen können!« Er schlug sich gegen die Stirn. »Und alles andere, was sie gesagt haben â verdammt noch mal, warum habe ich das nicht selbst erkannt? Was bin ich für ein Jammerlappen! Da stehle ich Ihnen die Zeit, dabei könnte ich derweil tausend Dinge erledigen!«
Bevor Sawatzky ihm beipflichten konnte, stürmte David davon.
Der Buchhändler schaute ihm für einen Moment versonnen nach. Dann seufzte er einmal lächelnd auf und griff mit Wollust in eine der Bücherkisten.
47. K APITEL
»Was ist denn das?« Stirnrunzelnd nahm Johanna ein Glas in die Hand, das aus tausendundeiner Scherbe zu bestehen schien. »Ist bei euch das Geld so knapp, daà ihr aus geflickten Gläsern trinken müÃt?«
»Nein, nicht!« schrie Wanda auf, als sie sah, daà Johanna das Glas in den Mülleimer werfen wollte. »Es ist ⦠Es gehört mir! Vater hat es für mich geklebt.« Sie riss das Glas an sich.
Johanna sah sie irritiert an.
»Wie war es in New York?« fragte Wanda.
»New York?« wiederholte Johanna geistesabwesend. Sie blies so kräftig in ihre Tasse, daà etwas Kaffee auf den Tisch schwappte. Mit dem Ellenbogen wischte sie den Fleck weg.
Während sie halbherzig von ihrer Reise berichtete, schaute sie sich in der Küche um. Alles war so sauber!
Vom oberen Stockwerk her war Evas Stimme zu hören. Sie schien Sylvie ins Bett bringen zu wollen, wogegen das Kind lauthals protestierte.
»Endlich kommt eine von euch Steinmännern!« hatte Eva zur BegrüÃung gesagt, als sie Johanna vor der Tür stehen sah. Dann hatte sie Johanna die Dose Kaffee aus der Hand genommen, die diese ihr entgegengestreckt hatte, war in die Küche gegangen und hatte Wasser aufgesetzt. Johanna war ihr wortlos gefolgt.
Eva hatte in Richtung Treppe genickt. »Falls es dir gelingt, das Fräulein aus seinem Zimmer zu locken â ich koche euch in der Zwischenzeit eine Kanne Kaffee! Vielleicht hast du mehr Glück als wir alle zusammen â¦Â«
Johanna hatte sie erschrocken angesehen. Wenn Eva ihrso freiwillig das Feld überlieÃ, muÃte es um Wanda noch schlimmer stehen, als sie angenommen hatte.
»Es tut gut, wieder zu Hause zu sein«, beendete Johanna nun ihre Erzählung. »Ich habe die Kinder vermiÃt. Und die Arbeit!« Sie lachte.
Schweigend nahm jede der Frauen einen Schluck Kaffee.
Doch die belebende Wirkung blieb aus, und Johanna gähnte.
Urplötzlich fuhr Wanda auf. »Was willst du eigentlich von mir? Du bist todmüde, völlig erschöpft von der langen Reise. Eigentlich gehörst du ins Bett! Statt dessen kommst du noch am Tag deiner Heimkehr hier angerannt und zerrst mich aus dem Zimmer â wenn du mir Vorwürfe machen willst, dann leg endlich los! Um so schneller kannst du nach Hause gehen!«
Johanna zuckte zusammen, rieb sich die Augen.
»Ach, Kind, deshalb bin ich doch nicht hier â¦Â« Sie war wirklich todmüde, ihre Glieder fühlten sich bleiern an, ebenso ihr Verstand. Fahrig holte sie den Briefumschlag aus ihrer Tasche und schob ihn Wanda zu. Er war an den Kanten schon etwas brüchig.
»Von deiner Mutter. Na los, mach schon auf!«
»Geld?« Irritiert schaute Wanda hoch. »Kein Brief, nicht eine einzige Zeile? Was hat das zu bedeuten?«
»Deine Mutter sagt, sie hätte dir und
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