Das gläserne Paradies
Getöse und Prusten eingefahren, als Benno und Monika ankamen. Daà Benno Christoph Stanzer und Karl den Schweizer Flein auf einer Geschäftsreise nach Berlin begleiten sollte, leuchtete Monika ganz und gar nicht ein. Dementsprechend säuerlich war ihre Miene. »In beratender Funktion« â pah! Als »Reiseführer« sozusagen â pah! Als ob ausgerechnet Benno irgend jemanden in irgend etwas beraten könnte! Und als ob ihn seinerzeit die Reise zur Beerdigung seiner GroÃtante â die ihm nicht einmal etwas vererbt hatte â zu einem Berlinexperten qualifiziert hätte! Drei Jahre lag diese Reise nun schon zurück und hatte damals nichts als unnötige Kosten verursacht, während sie in Bennos Abwesenheit vor lauter Arbeit kaum gewuÃt hatte, wo ihr der Kopf stand. Nicht, daà ihr die Gäste dies gedankt hätten! Statt dessen hatte sich der eine oder andere beklagt, weil sein Bier nicht schnell genug gekommen war. Daà sie neben dem Ausschank auch die Arbeit in der Küche zu erledigen hatte â davon hatte niemand etwas wissen wollen. Einen Tag bevor Benno endlich wieder heimgekommen war, war ihr zu guter Letzt auch noch ein Bierfaà auf den Fuà gefallen. Noch heute verspürte sie bei schlechtem Wetter Schmerzen im kleinen Zeh. Was allein Bennos Schuld war! Wäre er nur zu Hause geblieben, er hatte die alte GroÃtante doch kaum gekannt! Und nun wollte er sich wieder aus dem Staub machen? Nicht mit ihr, hattesie gezetert. Aber Benno war stur geblieben. Sowohl Karl als auch Christoph seien Stammgäste im »Schwarzen Adler«, ihre Geschäftsreise hätte einen wichtigen Hintergrund, da könne er ihre Bitte, sie zu begleiten, keinesfalls ausschlagen.
Geschäftsreise, wichtiger Hintergrund ⦠Welchen Bären wollte Benno ihr diesmal wieder aufbinden? War gar eine andere Frau im Spiel?
MiÃtrauisch schaute Monika nun von einem Mann zum anderen â immerhin hatte Benno, was seine Reisebegleiter betraf, die Wahrheit gesagt! Nach einer Geschäftsreise sah das Ganze allerdings auch nicht aus, ganz im Gegenteil: Die karierten ausgebeulten Brotzeitbeutel, welche die beiden anderen Männer bei sich trugen, deuteten eher auf eine Lustreise hin.
SchuldbewuÃt muÃte sich Monika eingestehen, daà sie nicht daran gedacht hatte, ihrem Mann einen Beutel mit Käse, gekochten Eiern und ein paar Pellkartoffeln herzurichten. Und wennschon â würde er eben schauen müssen, wie er satt wurde! Nach ihr schaute ja auch niemand!
Säuerlich nickte sie der Amerikanerin zu, die sich vor den Männern in den Zug drängte, gefolgt von ihrer Cousine. Die Steinmann-Mädchen! MuÃten ihre Nasen wieder einmal ganz vorn haben! Kritisch schüttelte Monika den Kopf. Na, wenigstens war Benno nicht mit denen auf der Reise, sondern mit dem alten Christoph und mit Karl!
Bennos Berlinreise hatte ihn vor drei Jahren nicht nur an das Grab seiner geizigen GroÃtante gebracht, sondern ihm auch einen Abstecher ins Berliner Nachtleben beschert. Es war sein Cousin Gottfried aus Schwerin gewesen, der nach dem Notariatstermin vorgeschlagen hatte, das Erbe von jeweils fünfzig Reichsmark auf gepflegte Artund Weise durchzubringen. So waren sie nicht wie die anderen bei Kaffee und Kuchen in einem Kaffeehaus gelandet, sondern in der FriedrichstraÃe, genauer gesagt in einem Etablissement namens »Blaue Eule«. Die Erwartungen der Männer waren nicht gering gewesen â vor allem in der Provinz kursierten Geschichten vom spektakulären Berliner Nachtleben, wo es Nackttänzerinnen geben sollte und Auftritte, bei denen jene Tänzerinnen Geldstücke, die von den Gästen auf die Bühne geworfen wurden, mit den nackten Brüsten aufhoben. Um für alle Fälle gerüstet zu sein, schlug Benno vor, die fünfzig Reichsmark von Tante Else in Fünfmarkstücke umzuwechseln. Womit Benno nicht gerechnet hatte, war, daà er das erste Geld schon an der Tür der »Blauen Eule« loswerden würde: Nur dank eines saftigen Trinkgeldes gewährte der Türsteher ihnen EinlaÃ. Darüber waren die Männer so erzürnt, daà sie vor lauter Palaver den Mann, der an der Garderobe ihre Mäntel entgegennahm, nicht besonders zur Kenntnis nahmen. Nur daà er so komisch schniefte, bemerkte Benno. Sie warfen dem Mann ihre Mäntel zu, steckten den Kupon, den sie dafür erhielten, in ihre
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