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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Anscheinend war es ihm nicht gelungen, den Männern zwischen den Zeilen zu vermitteln, um welche Art von Etablissement es sich handelte. Alles äußerst peinlich, aber nicht zu ändern! sagte sich Benno.
    Die zweite große Frage war die, ob der Garderobier noch derselbe war. Sollte Bennos Erinnerung ihn nicht täuschen und es sich tatsächlich um den Ganoven handeln, der in Lauscha aufgetaucht war, konnte es außerdem gut sein, daß er sich von dem ergaunerten Geld irgendwo ein schönes Leben machte. Und selbst wenn sie das große Glück hatten, ihn zu finden: Gab es wirklich eine Verbindung zwischen dem Mann und Friedhelm Strobel? Und würde der Mann Strobel verraten? Schließlich gab es unter Betrügern so etwas wie Ganovenehre …
    In diesem Punkt gaben alle Benno recht. Aber trotz aller Widrigkeiten hatten weder Christoph Stanzer noch Karl der Schweizer Flein gezögert, als Wanda und David zu ihnen gekommen waren. Sie waren die Sprecher der Genossenschaft gewesen – natürlich würden sie als solche auch die Reise nach Berlin unternehmen! Sie hatten nur diese eine Chance, Strobel dingfest zu machen, und die würden sie nutzen, mochte sie auch noch so klein sein!

    Die Reise verlief ohne größere Komplikationen und Verspätungen. Nachdem David Wagner in Sonneberg zugestiegen war, zockelten sie zuerst mit einem langsamen Zug nach Stockheim, wo sie auf den D-Zug aus München warteten. Dieser würde sie bis nach Berlin bringen.
    An jeder Haltestelle stiegen mehr Menschen zu, Sitzplätze gab es bald keine mehr, und selbst die Gänge waren voll. Da es außerdem zu regnen begonnen hatte, sammelten sich auf dem Boden kleine Pfützen, so daß sich manche Schuhsohle aus Pappe zu wellen begann. Die Luft war klamm, es roch nach feuchter Kleidung und menschlichen Ausdünstungen. Die Reisenden nahmen diese Unannehmlichkeiten jedoch mit stoischer Gelassenheit hin, verzehrten im Stehen mitgebrachte Brote, schwatzten miteinander oder hielten gar ein Nickerchen. Wanda staunte. Sie hatte das Gefühl, daß es alle Welt nach Berlin drängte. Das sei kein Wunder, Berlin sei schließlich nicht nur die Hauptstadt des Deutschen Reiches und somit das politische Zentrum, erklärte David ihr und den anderen, sondern auch eine wirtschaftlich florierende Stadt, in der von den Möbelbauern über die Porzellanmanufakturen bis hin zur Elektrotechnik und dem Maschinenbau alles ansässig sei. So viel Industrie zöge die Menschen natürlich an! Siemens, die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, Borsig – Wanda konnte mit diesen Firmennamen nichts anfangen, die anderen jedoch nickten ehrfurchtsvoll. Wenn der Thüringer Wald von diesem Kuchen nur auch ein Stück abbekommen hätte, murmelte Karl trübsinnig. Dann wären nicht alle von der Glasmacherei abhängig …

    Es war früher Abend, als der Zug in Berlin einfuhr. Nach einer kurzen Fahrt mit der Stadtbahn stiegen sie am Bahnhof Friedrichstraße aus. Der Regen war inzwischen noch heftiger geworden. David, der als einziger einen Regenschirm dabeihatte, gab diesen heldenhaft an Wanda und Anna weiter und hielt sich selbst eine Zeitung über den Kopf. Bis zum Hotel seien es nur wenige Hundert Meter, tröstete David die beiden Frauen, denen die Enttäuschungins Gesicht geschrieben stand. Da hatten sie schon einmal die Gelegenheit, die Hauptstadt zu besuchen, und nun schüttete es wie aus Kübeln!
    Benno, der Sorge hatte, die »Blaue Eule« wiederzufinden, schlug vor, daß er gleich als erstes die Gegend auskundschaftete. Er kannte die Adresse des Nachtclubs nicht, sondern wußte nur, daß sich das Etablissement in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße befand.
    Karl schloß sich ihm an. Christoph Stanzer, der seit Stunden unter Migräne litt, wollte so schnell wie möglich ins Hotel. So zogen Karl und Benno los, um die »Blaue Eule« zu finden, während David die beiden Frauen und Christoph ins Hotel brachte. Das Gepäck der beiden anderen nahmen sie mit.
    Wanda schmunzelte, als sie am Hotel Adlon vorbeiliefen. Ohne daß sie in Annas Reiseführer nachlesen mußte, wußte sie instinktiv, daß es sich bei diesem Hotel um die feinste Adresse der ganzen Stadt handelte. Bestimmt wäre ihre Mutter hier und nirgendwo anders abgestiegen!
    Ach, Mutter, was würdest du wohl zu dieser ganzen Unternehmung sagen, dachte Wanda, als sie

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