Das gläserne Paradies
Vergangenheit nachzugrübeln.
»Und was ist mit unserer Meininger Glasbläsergenossenschaft? Bei uns funktioniert längst, worüber ihr hier groÃe Reden schwingt!«
Alle Blicke richteten sich auf einen Tisch direkt an der Eingangstür.
Thomas Heimer blinzelte, um im dunstigen Tabakqualm den Redner erkennen zu können.
»Der Steiner-Sepp! Jetzt fang du noch damit an, daà wir in die sozialdemokratische Partei eintreten sollen, um die Gründler-Hütte zu retten!« rief Jockel über den Schankraum hinweg. Er hatte die Lacher auf seiner Seite.
Der so Angesprochene winkte ab. »Ich bin auch nicht in der Partei, das ist bei uns schlieÃlich keine Bedingung, um in der Genossenschaft zu sein. Was dieses Mädchen« â er nickte in Wandas Richtung â »sagt, klingt doch gar nicht schlecht! Es müÃten ja gar nicht alle mitmachen. Um eine Genossenschaft zu gründen, reichen neun mutige Männer aus. Aber â¦Â« Er zuckte grinsend mit den Schultern, was wohl bedeuten sollte: Ob es die in Lauscha gibt?
Wanda holte tief Luft. »Genau! An eine ArtGenossenschaft habe ich auch gedacht. Aber wie dieser Herr da hinten gerade gesagt hat: Dazu bedarf es mutiger Männer!«
»Ich würde eher sagen, dazu bedarf es einer Menge Geld!« erwiderte Karl der Schweizer Flein lachend. »Sag den Leuten doch mal, welchen Preis der feine Herr Gründler dir genannt hat!«
»65 000 Goldmark«, erwiderte Wanda, und ihre Stimme war plötzlich noch wackliger als ihr Stuhl.
Der Tumult, der daraufhin ausbrach, übertraf jede bisherige Aufregung.
»Und damit wäre es ja noch nicht getan!« schrie Karl, der Obergeselle, in die Runde. »Der Gründler hat in den letzten Jahren so gut wie nichts mehr in die Hütte investiert, da stehen einige gröÃere Reparaturen an â¦Â«
»Aber einiges könnten wir sehr wohl selbst in die Hand nehmen!« rief Gustav Müller Sohn, was ihm einen wohlwollenden Blick von Wanda eintrug.
»65 000 Goldmark â so einen Riesenbatzen Geld würden wir doch nie zusammenkriegen! Für wen hältst du uns? Sehen wir aus, als ob wir Goldesel im Stall stehen hätten? Ach, was sitzen wir hier überhaupt noch rum und lassen uns die Zeit stehlen?« Jockel schwenkte seinen Bierkrug in Richtung Theke. »Gibtâs in dem Laden auch noch was zu trinken?«
»Ein paar wohlhabende Leute gibt es in Lauscha schon!« rief Gustav Müller Sohn. »Herrmann Greiner Vetters Sohn hat mir erst gestern erzählt, seine Familie wolle das Geld für sechs Fenster der neuen Kirche spenden! Und der alte Kühnert, der daneben stand, fügte hinzu, er spendiere dafür die Turmuhr! Wenn wir solch edle Spender auch für den Kauf der Hütte finden könnten, wäre die Sache geritzt! Also â wer meldet sich freiwillig?«
Schallendes Gelächter war die Antwort.
»Es gibt ja auch noch Banken. Und Kredite«, hörte sich Thomas Heimer sagen. Neben ihm holte Richard mit einem Zischlaut tief Luft.
Alle schauten Thomas an. »Sag bloÃ, du â¦Â«
»Thomas! Denkst du etwa auch, daàâ¦Â«
Abwehrend hob Thomas Heimer die Hände. »Ich sage nur so viel: Ihr solltet Wanda ein wenig ernster nehmen. So wie ich es getan habe. Mir hatâs weià Gott nicht geschadet.«
Im nächsten Moment war ein Rumpler zu hören, und Wanda fiel endgültig vom Stuhl.
17. K APITEL
Es war kurz vor Mitternacht, als Benno, der Wirt des »Schwarzen Adlers«, seinen letzten Gast vor die Tür setzte. Thomas Heimer und seine Tochter waren schon längst gegangen, aber noch immer wurde über Wandas Vorschlag debattiert. War zuvor das Bier in den Gläsern schal geworden, floà es nun, da sich die Männer die Köpfe heià redeten, in Strömen. Die Stimmung â besonders rund um den Stammtisch â war so aufgeheizt, daà ein falsches Wort gereicht hätte, um einen Riesenkrach zu entflammen. Benno hatte die ärgsten Streitmichel daher immer im Auge. Doch davon abgesehen, daà sich alle endlos im Kreis drehten, immer wieder dieselben Sätze und Meinungen von sich gaben, geschah nichts weiter.
Nachdem alle gegangen waren, rià der Wirt die Fenster auf, um den Dampf des Abends hinauszulassen, zapfte sich ein letztes Bier und machte sich an die Abrechnung.Er staunte nicht schlecht über seinen Umsatz. Wenn es eines
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