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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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finanzkräftigsten Bank Sonnebergs zu gehen, und das war das Bankhaus Grosse & Söhne, am Marktplatz gelegen. Bei Grosse & Söhne gebe es Fachleute für ungewöhnliche Geschäfte, und diese würden bestimmt die großen Möglichkeiten in bezug auf die Gründler-Hütte erkennen. Wanda und die anderen hatten dem nichts entgegenzusetzen. Ganz im Gegenteil: Fast jeder kannte jemanden, der einen kannte, der wegen eines Kredits von anderen Banken abgewiesen worden war. Die Zeiten waren hart, die Banken mit ihrem Geld vorsichtig geworden. Allerdings hatte niemand Erfahrungen mit Grosse & Söhne.
    Dennoch – allein aufs Hörensagen hatte sich Wanda nicht verlassen wollen, und so hatte sie den einzigen Menschen aufgesucht, den sie in Sonneberg kannte: Alois Sawatzky, Buchhändler und einst väterlicher Freund von Marie.
    Sawatzky war hocherfreut, Wanda zu sehen, kochte eiligst Tee und verkniff sich die Rüge, daß sie sich seit ihrer Rückkehr nach Lauscha nur ein einziges Mal hatte blicken lassen – damals hatte sie ihm mit tränenerstickter Stimme von Maries Tod berichtet, allerdings auch nur diemodifizierte Version, obwohl es Wanda danach gedrängt hatte, diesem warmherzigen Menschen die ganze Wahrheit zu erzählen.
    Auch Sawatzky konnte das Bankhaus Grosse empfehlen, es genoß über Sonneberg hinaus in der ganzen Region den besten Ruf. Als sich Wanda von Sawatzky verabschiedete, versprach sie, sich zukünftig öfter blicken zu lassen.
    Die Zeit drängte, und schnell hatten die Vertreter der zukünftigen Genossenschaft einen Termin mit dem Bankhaus vereinbart.
    Beim letzten Treffen im »Schwarzen Adler« hatte Wanda außerdem vorgeschlagen, ihrem Ziehvater Steven Miles von dem Geschäft zu berichten. Vielleicht war er bereit, als Geldgeber und stiller Teilhaber einzuspringen? Damit hätten sie sich den Bittgang zur Bank sparen und gleichzeitig Zeit gewinnen können. Doch von dieser Idee wollten die anderen nichts wissen. Ein Amerikaner als Geldgeber? Da könne man die Hütte doch gleich an einen Fremden verkaufen! Dann wäre man ja wieder vom Wohlwollen eines anderen abhängig. Daß die Bank, falls sie einen Kredit gewährte, ebenfalls ein »Fremder« war und daß auch da gewisse Abhängigkeiten bestanden, leuchtete den Männern nicht ein. Eine Sonneberger Bank war ihnen eben lieber als ein New Yorker Geschäftsmann.
    Â»Sei auf der Hut!« hatte Thomas Heimer seine Tochter am Morgen vor dem Aufbruch gewarnt. »Wenn wir Lauschaer in Sonneberg auftauchen, glauben die feinen Stadtmenschen immer, sie hätten die dummen Löffelschnitzer aus den Bergen vor sich. Bestimmt hat der Bankangestellte nur eines vor, nämlich euch reinzulegen!«
    Wanda hatte gelacht und ihn einen voreingenommenen Gesellen genannt.

    Â»Ist es noch sehr weit? Ich dachte, das Bankhaus Grosse liegt direkt am Marktplatz?« Mehr, um sich eine kurze Atempause zu gönnen, als aus echtem Interesse an der Wegführung blieb Wanda mitten auf dem Gehsteig stehen. Mit der Hand fächerte sie sich ein wenig Luft zu.
    Â»Wir sind gleich da, Mädchen«, sagte Karl der Schweizer Flein. »Grosse und Söhne liegt hinterm Rathaus, weißt du das nicht?«
    Wanda zuckte mit den Schultern. »Ich war bisher erst ein einziges Mal auf dem Marktplatz. Mit Johanna, und die hatte es damals eilig.« Wie immer, ging es Wanda durch den Kopf.
    Gustav Müller Sohn schüttelte den Kopf. »Versteh einer deine Tante! Also, wenn ich Besuch aus Amerika bekäme, ich würde ihm all die Schönheiten unserer Heimat mit Freuden zeigen! Kein Weg wäre mir zu lang, keine Anstrengung zu schwer. Und mein Weib würde das genauso sehen. Doch du bist ja offenbar aus der Werkstatt noch nie richtig herausgekommen!«
    Wanda schwieg. Der Mann hatte recht, ein klassischer Verwandtenbesuch war ihr Aufenthalt in Lauscha von Anfang an nicht gewesen. Für Besichtigungstouren hatte Johanna einfach keine Zeit gehabt, dazu war in der Werkstatt stets zuviel zu tun. Dafür hatte Cousin Johannes ihr jeden Winkel Lauschas gezeigt, was durchaus auch etwas für sich hatte – immerhin hatte sie so Richard kennengelernt.
    Aber Sonneberg war wirklich eine recht ansehnliche Stadt! Die hohen, schmalen Häuser, deren Erdgeschosse allesamt Geschäfte beherbergten. Die malerischen Straßenlaternen. Die Eimer mit den dicken Sträußen bunter

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